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Fanfiction Übersicht - Epik

Titel: Retelling a Story
Autor: Ulrich-Alexander Schmidt
Kurzbeschreibung: Retelling a Story lässt sich nur schwer zusammen fassen. Es ist eine der besten, wenn nicht die beste deutsche Fanfiction die es gibt.

Der Autor führt euch in eine Welt, aus der ihr nicht raus kommt, ehe ihr sie komplett durch gelesen habt.

Allerdings muss ich euch warnen. Mit insgesammt 322176 Wörtern (bei Schriftgröße 10 entspricht dies 857 Seiten) ist sie auch eine der längsten Fanfiction.


Retelling a Story 0:1

Retelling a Story 0:2

Retelling a Story 0:3
Neon Genesis Evangelion - FanFiction


Retelling a Story

0:3

(Episode 13 - 18)

(Abzweigung 04)



von Ulrich-Alexander Schmidt
Fassung vom 02.02.2002




Legal Boilerplate:
NGE und die Charaktere sind Eigentum von GAINAX, etc.pp.



Sämtliche Fehler in der Charakterisierung sind ganz allein mir selbst zuzurechnen.


Kapitel 30 - Ferienzeit

Misato stand gewaltig unter Streß.
Und das war noch eine ziemliche Untertreibung...

Die Aufräumarbeiten in der Stadt hatten sich bis zum Abend hingezogen. Shinji und Rei hatte sie heimgeschickt, doch Asuka hatte darauf bestanden, vor Ort zu bleiben und wie eine Klette an Kaji zu hängen, aber das hatte Misato sich bemüht zu übersehen. Kaji jedenfalls gab sich alle Mühe, Asuka bei Laune zu halten, ohne auf ihre Annäherungsversuche einzugehen, oder auch nur im entferntesten eine kompromittierende Situation zu riskieren.
Daheim hatte Misato sich den ganzen Abend Asukas Gemecker anhören müssen, weshalb Kaji sie nicht hinreichend beachtete, weshalb niemand ihr die Anerkennung für ihren Teil bei der Bekämpfung der Engel zukommen ließ, warum Weichei und Wondergirl - Shinji und Rei, wie Misato sie immer wieder korrigiert hatte - solche Narrenfreiheit besaßen und wie sehr die beiden doch alles in Gefahr brachten, weil sie sicher nur daran dachten, es miteinander zu tun wie die Karnickel... an diesem Punkt hatte Misato geistig abgeschaltet und ihr Bier auf ex leergetrunken, die ganze Palette...

Daß nachts um drei sowohl ihr Pieper, ihr Handy und das Telephon losgingen, war schon schlimm genug - wenn sie schlief, dann schlief sie und brauchte auch wenigstens sechs Stunden Schlaf am Stück -, daß sie allerdings einen derart dicken Kopf hatte, daß sie befürchtete, nicht durch die Tür zu kommen, war noch übler, aber daß das Klingeln auch Asuka aufweckte, wel-che sodann gleich wieder zu zetern begann, setzte dem ganzen die Krone auf.
Drei Uhr morgens...!
Und sie sollte sofort ins Hauptquartier kommen, umgehend.
Also kein Nachfüllen ihres Alkoholpegels, um den Kater etwas abzumildern. Und Autofahren war in ihrer Verfassung auch nicht drin.
In der Straßenbahn belästigte sie ein älterer Mann, dem sie kurzerhand ihre Dienstwaffe unter die Nase hielt und ihn an der nächsten Station dann mit einem kräftigen Tritt nach draußen be-förderte.
Doch der wahre Streß fing erst an, als sie in der Zentrale ankam und sofort die Friedhofsstille wahrnahm, die herrschte.
\"Also, was gibt es?\" fragte sie laut, bereute es im nächsten Moment schon, schienen sich ihre Kopfschmerzen doch um den Faktor zehn zu vergrößern. Ihre Frage war hauptsächlich an den Leiter der Nachtschicht gerichtet, in diesem Fall Makoto Hyuga.

Ritsuko Akagi betrat die Zentrale, dunkle Ringe unter den Augen und verhalten gähnend, kurz darauf traf auch Kaji ein, dessen Jackett aussah, als hätte er darin geschlafen.
Kozo Fuyutsuki erschien oben im Kommandostand, wirkte seltsam steif, als hätte er einen Gehstock verschluckt. Der Grund für sein Verhalten wurde gleich darauf ersichtlich, als Gendo Ikari den Platz hinter seinem Tisch einnahm.

Der Kommandant war zurück...

Misato unterdrückte ein Seufzen.
Warum hatte der ältere Ikari nicht noch ein wenig fortbleiben können... ohne ihn lief doch im Hauptquartier alles wie geschmiert, während seine Anwesenheit nur dafür sorgte, daß alle ein-geschüchtert durch die Gänge schlichen...

\"Schlechte Nachrichten\", begann Fuyutsuki, während Ikari einfach nur seine Hände faltete und auf sie hinabstarrte, als wäre die Brückencrew nur eine Ansammlung lästiger Insekten.
\"Wir haben den Kontakt mit der NERV-Zweigstelle Nordamerika vor zwanzig Minuten verlo-ren. Die gesamte Region scheint von einem elektromagnetischen Impuls getroffen worden zu sein, der jede Art von Elektronik lahmgelegt hat. Allerdings haben wir vor wenigen Minuten die ersten Bilder von Aufklärungsflugzeugen und Wettersatelliten erhalten...\"

Der Hauptmonitor erhellte sich, zeigte... nichts!
Da war nur eine große Mulde, in welche langsam Meerwasser hineinschwappte.
Der NERV-Stützpunkt allerdings war spurlos verschwunden.

Misato wechselte einen Blick mit Ritsuko, ehe diese ihren Platz an ihrem Terminal bezog, sich bemühend, nicht zu Gendo hinaufzustarren.

\"Ich habe auch ersteinmal nachgefragt... aber es ist die korrekte Region. In diesem Augenblick sind Spezialeinheiten der US-Armee vor Ort und stellen Untersuchungen an.\"

\"Mögliche Ursachen?\" fragte Misato. \"In der US-Zweigstelle wurde mit dem synthetisierten S2-Organ experimentiert, oder?\"

\"Heute war der erste Testlauf\", bestätigte Ritsuko. \"Ich überprüfe die Protokolle, welche von MAGI-System Nummer drei übermittelt wurden... demnach verlief der Aktivierungstest von EVA-04 zufriedenstellend... sehr hohe Synchronwerte zwischen EVA und Piloten... und dann plötzlich Abbruch der Übertragung.\"

\"Wir haben mittlerweile auch Satellitenaufzeichnungen der letzten Sekunden.\" erklärte Hyuga.

Das Bild auf dem Schirm veränderte sich, zeigte dieselbe Region, den gleichen Küstenab-schnitt, nur zeigte es auch zahlreiche Gebäude, Hallen, den Test-Parcour für EVA-04... und dann legte sich plötzlich ein Schatten über das Bild...
Es folgte Schneegestöber auf dem Bildschirm, als die Aufzeichnung abbrach.

\"Ein Angriff\", folgerte Misato.

\"Aber womit?\" warf Kaji ein. \"Es sieht fast aus, als wäre die Zweigstelle einfach ausgegraben und fortgetragen worden.

\"Ein Engel?\"

\"Beobachter melden, daß sie keine Explosion oder Anzeichen irgendeiner Waffenentfaltung wahrgenommen haben. Und die anderen MAGI-Systeme haben nichts auffälliges bemerkt.\"

\"Reichen die Sensoren der MAGI denn soweit, Ritsuko?\"

\"Bisher waren wir der Ansicht, durch die strategische Verteilung von MAGI-Systemen über den ganzen Erdball ein recht zuverlässiges Netz für die Ortung und Erkennung von Blauen Mustern geschaffen zu haben. Entweder hat das Netz versagt, oder der Feind war einfach zu schnell.\"

\"Oder Sabotage.\" murmelte Kaji.

Oben in seinem Kommandostand fixierte Ikari den Leiter der Planungsabteilung.


*** NGE ***


An diesem Morgen erwachte Shinji vor Rei, auch wenn es nur reiner Zufall war.
Sie lag halb auf ihm, ihre beider Beine waren ineinander verhakt, ihr flacher stetiger Atem fuhr über seine Wange.
Ein ganze Weile musterte er sie, sein Blick wanderte von ihren geschlossenen Augen über ihr friedliches Gesicht zu ihren leicht geöffneten Lippen, dann ihren Hals entlang und weiter über ihren Körper.
Doktor Akagi hatte für heute wieder eine neue Testreihe angesetzt, bei der alle drei Piloten an-wesend sein sollten.
Ihm graute davor, vielleicht zu einem Kreuztest in Asukas Plug steigen zu müssen, ebenso wie er Übelkeit bei dem Gedanken verspürte, die Rothaarige könnte seine Erinnerungen sehen, welche in seinem EntryPlug schemenhaft zurückgeblieben waren. Sicher waren ihre Erinnerun-gen voller Gewalt und Grausamkeit...
Viel lieber wäre er den ganzen Tag im Bett geblieben und hätte Rei-chan im Arm gehalten...
Ihm ging nur nicht ihre Erklärung aus dem Kopf, es würde zu keiner Situation kommen, wel-che ihre Einsatzfähigkeit beeinträchtigen würde... und diese Erklärung war im Zusammenhang mit ihrer Beziehung gefallen... was meinte sie nur damit? Misato hatte auf die Gefahr einer Schwangerschaft angespielt... aber wie hatte Rei ihre Worte bloß gemeint...? Sollte er sich viel-leicht fragen? Aber das konnte sie falsch verstehen, konnte glauben, er wolle mit ihr intim wer-den... nicht, daß er das nicht wollte, aber irgendwie erschien ihm der Zeitpunkt nicht richtig...
Ganz vorsichtig beugte er sich vor und küßte ihre Nasenspitze, blies ihr dann sacht übers Ohr.

Rei reagierte darauf, indem sie ihn fester umarmte und sich gegen ihn kuschelte.


*** NGE ***


Drei Piloten, zwei Geschlechter, eine Umkleidekabine... das konnte ja nur zu Problemen füh-ren...
So dachte Shinji jedenfalls, als er auf seiner Seite der Trennwand auf der Bank hockte und die beiden Schemen beobachtete, die sich auf der anderen Seite bewegten.

Asuka verhielt sich wieder unausstehlich - sie hatte ja auch keinen Grund mehr, ihnen irgend-was vorzuspielen. Mit den vulgärsten Ausdrücken brachte sie ihre Vermutungen vor, was die beiden anderen Piloten wohl so trieben, wenn sie ungestört waren, sagte Rei Dinge auf den Kopf zu, an die Shinji in seinen kühnsten Träumen nicht zu denken gewagt hätte.
Mehr als einmal war er bereits halb aufgestanden, um um die Trennwand herumzutreten, sank dann aber wieder zurück.
Warum bloß hatte Misato sie angewiesen, in der Umkleidekabine zu warten? Genausogut hätte sie sie in ein mit Piranhas gefülltes Becken stoßen können...

Und was Asuka gerade auf der anderen Seite beschrieb, trieb Shinji endgültig die Schamesröte ins Gesicht. Daß sie alle unbekleidet waren, weil Doktor Akagi ihre Tests ohne die störenden Interferenzen der PlugSuits durchführen wollte, machte es alles andere als einfacher... durch Asukas Worte war seine Phantasie inzwischen derart angeregt, daß wahrscheinlich eine stun-denlange eiskalte Dusche nötig war, um ihn zu beruhigen...
Wie konnte Rei-chan dabei nur so ruhig bleiben? Jedenfalls hatte sie bisher nichts gesagt, saß einfach nur ihm gegenüber auf der Bank, während Asuka am Wandschirm entlang hin- und her-lief, so daß ihre wippenden Brüste mehr als nur schemenhaft zu erkennen waren.

Es knackte in den Lautsprechern unter der Decke.
\"Wir sind soweit. Kommt bitte einer nach dem anderen in den Hangar.\"

Sofort begann Asuka zu lamentieren.
\"Das geht doch nicht! Wir können doch nicht einfach so über den Korridor gehen...\"

\"Der Bereich ist abgesperrt, wir haben auch die Sicherheitskameras abgeschaltet\", fuhr Akagi ihr in die Parade und bewies damit, daß sie durchaus imstande war, die Gespräche in der Um-kleidekabine mitzuhören. \"Ich wußte gar nicht, wie ausgeprägt dein Wortschatz ist, Asuka, hoffentlich hast du deine beiden Kollegen nicht noch auf Ideen gebracht.\"

Asuka war sprachlos, stand nur da und stemmte die Hände in die Hüften.

\"Rei, du zuerst.\"

\"Bestätigt.\"

Shinji verfolgte, wie Rei sich erhob, nur ein Schatten, den er durch den Wandschirm sehen konnte, einen Herzschlag lang erhaschte er einen Blick auf ihre nackte Rückseite, als sie die Kabine verließ.

\"Jetzt Asuka.\"

Die Rothaarige gab ein \"Grrumpf\" von sich und setzte sich in Bewegung.

Shinji reagierte panisch, der Anblick ihrer drallen Po-Backen war wirklich zuviel für ihn.

\"Shinji, jetzt du.\"

\"Ahm, ich...\"
Ob Doktor Akagi ihm eine Auszeit für eine kalte Dusche gewähren würde?

\"Los, los!\"

Wohl nicht...
Er stand auf, die Hände gegen seinen Unterleib gepreßt.
Hoffentlich sah ihn wirklich nicht jemand...
Er verließ die Kabine und trat über den Gang, eilte über einen Steg und kletterte umständlich in die Steuerkapsel, die über Einheit-01 hing.


*** NGE ***


\"So, dann wollen wir mal...\" murmelte Ritsuko.

\"War es wirklich nötig, die drei nackt über den Flur zu jagen?\" fragte Misato.

\"Die PlugSuits verursachen eine winzige Ungenauigkeit. Die Tests, die ich heute durchführen will, sind sehr detailliert... Hm, Asukas Wortschatz hat mich sehr überrascht...\"

\"Ja, unter den Dingen, die sie aufgezählt hat, sind ein paar, die ich selbst nicht ausprobieren würde.\"

\"Wirklich?!\"

\"Ritsuko!\"

\"Seinen Vitalzeichen nach befindet Shinji sich in einem Zustand starker Erregung. Kein Wun-der nach dem, was Asuka da erzählt hat... Spitz wie ein Eichhörnchen.\"

\"Vielleicht liegt es auch daran, daß er gleich mit zwei nackten Mädchen in einer Kabine war.\"

\"Ja, vielleicht.\"

\"Warum gibt es eigentlich nur eine Umkleidekabine für die Piloten? Platz genug haben wir doch.\"

\"Frag\' Gendo...\"

\"Wie?\"

\"Ach, nichts... Solange Asuka noch nicht hier war, hat sich niemand daran gestört. Aber sie plärrt mir ständig die Ohren voll. Ich glaube, sie will ihre eigene Kabine, am besten noch mit Namensschild und eigenem Friseur.\"

\"Ja - Kaji!\"

\"Oh je, du hast recht, Misato, sie ist wirklich auf ihn fixiert.\"

\"Ja, furchtbar.\"

\"Du kannst ihn nicht vergessen, oder?\"

\"Hm... die Zeit mit ihm ist schon lange vorbei...\"

\"Ja... ah, ob Asuka wohl recht hat?\"

\"Womit?\"

\"Naja, mit Shinji und Rei, ob die beiden...\"

\"Ritsuko, wenn ich mir darüber auch noch den Kopf zerbrechen würde... wir haben zugelassen, daß die beiden zusammenziehen...\"

\"Sieh dir diese Werte an!\"

\"Was meinst du?\"

\"Hier, hier und hier... die Synchronratios von Rei und Shinji... und hier die Wellenmuster... es ist, wie ich es mir gedacht habe...\"

\"Ritsuko, bist du sicher, daß du die beiden unter Beobachtung hast? Für mich sehen die Werte völlig identisch aus.\"

\"Das ist es doch... Misato, die beiden sind völlig synchron!\"

\"Das heißt...?\"

\"Die beiden sind ein perfekt aufeinander eingespieltes Team! Zwei Körper, ein Geist... oder zu-mindest in der Theorie. Deshalb auch die kontinuierliche Angleichung ihrer Werte. Nur Asuka tanzt völlig aus der Reihe, das Mädchen scheint ein paar richtige Probleme zu haben.\"

\"Das kannst du laut sagen.\"

\"Ach?\"

\"Du kennst ihre Akte, oder?\"

\"So... dann hat Kaji es dir erzählt...\"

\"Ja. Asuka ist psychisch völlig instabil, sie neigt zu Wutausbrüchen und Gewalt. Ich würde sie am liebsten aus dem Team nehmen und in psychiatrische Behandlung geben.\"

\"Geht nicht. Anweisung vom Kommandanten - Pilotin Soryu ist festes Mitglied des Teams.\"

\"Manchmal kommt es mir so vor, als hätte ich hier gar nichts mehr zu sagen.\"

\"Hast du auch nicht... das hat hier niemand von uns... wir tanzen alle an den Strängen eines einzelnen Puppenspielers...\"

\"Gendo Ikari...\"

\"Genau. Kaum hat er sich wieder in der Öffentlichkeit gezeigt, scheint alles um einiges düste-rer. Aoba ist deprimiert, Fuyutsuki rennt herum, als hätte er einen Stock verschluckt, und Ma-ya sucht nach jeder möglichen Ausrede, um die Zentrale nicht betreten zu müssen.\"

\"Ja... eigentlich ist es kaum zu glauben, daß Shinji sein Sohn ist... die beiden sind so grundver-schieden...\"

\"Ich schätze, er schlägt mehr nach seiner Mutter.\"

\"Ja, wahrscheinlich.\"

\"Sein Synchronwert hat sich verbessert...\"
Ritsuko stand auf und korrigierte die aktuellen Werte auf der Tafel neben der Tür.

\"Er ist in Führung gegangen?\"

\"Ja, Asukas Werte waren immer recht statisch, Shinji hat sie um null komma drei Punkte über-holt... also wird Rei bald aufschließen. Unsere Piloten sind inzwischen wirklich einsatzfähig... andernfalls hätten sie den letzten Engel auch kaum aufhalten können.\"

\"Wer von uns überbringt ihm die Nachricht?\"

Ritsuko grinste und schaltete eine Verbindung zu den EntryPlugs.


*** NGE ***


Die Tests zogen sich noch über den ganzen Tag hin, gegen Abend entließ Akagi die drei schließlich, Shinji als ersten, gab ihm eine Viertelstunde, um sich fertigzumachen, ehe sie die beiden Mädchen in die Umkleidekabine schickte.

Shinji nutzte die Zeit, um zu duschen und sich anzuziehen, traute sich dann aber nicht, die Ka-bine zu verlassen aus Furcht, er könnte genau in dem Moment auf den Gang treten, in dem auch Rei und Asuka in den Korridor kamen.

Als die beiden schließlich hereinkamen, konnte Asuka eine spitze Bemerkung nicht unterlassen, daß Shinji doch nur spannen wollte.

\"Shinji-kun ist der anständigste Mensch, den ich kenne\", erklärte Rei leise.

Shinji riß die Augen auf.
War er das...?

\"Ach, du kannst ja doch sprechen!\"
Asuka stampfte in den Duschraum.

Shinji nutzte die Chance und eilte zur Tür.
\"Ah, ich warte am Haupteingang auf dich, Rei...\"

\"Ja, Shinji-kun.\" erwiderte sie.

Unwillkürlich warf er einen Blick zurück über die Schulter und sah sie in ihrer vollen Pracht.
\"Urgh...\"
Allein die Tatsache, daß das Hauptquartier nahezu völlig steril war, verhinderte, daß er eine Staubwolke hinterließ.

Rei derweil folgte Asuka in den Duschraum, ehe das LCL auf ihrer Haut zu sehr verkrusten konnte, gerade in den Haaren war es doch ein Ärgernis.

\"Hat er dir schon gesagt, daß er dich liebt?\" fragte Asuka mit unterdrückter Aggression in der Stimme.

\"Ja.\"

\"Wirklich? So sind die Kerle... erzählen dir, wie sehr sie dich verehren und den ganzen Müll und in Wirklichkeit wollen sie dich nur ins Bett zerren... aber das ist ihm ja schon gelungen... wirst schon sehen, was du davon hast, Wondergirl, wirst schon sehen...\"
Asuka lachte laut und kehlig.

Rei lief ein kalter Schauder über den Rücken.

Soryu war verrückt... anders konnte es gar nicht sein.
Und doch, was sie gesagt hatte...


*** NGE ***


Mit ihren scharlachroten Augen beobachtete Rei den schlafenden Shinji.
Soryus Worte...
Shinji hatte gesagt, daß er an sie glaubte, daß er ihr vertraute, daß er sie liebte...
Und sie vertraute ihm ebenfalls, erwiderte seine Gefühle...
Und doch... ein Hauch von Zweifel war da, ob er nicht nur ihr Äußeres liebte, ob er Liebe und Begehren nicht verwechselte, ob es ihm nicht nur um eine körperliche Vereinigung ging... aber er hatte nie derartiges versucht, für die Reaktionen seines Körpers konnte er nur bedingt et-was... wie konnte sie nur sichergehen...
Vorsichtig wand sie sich aus seinen Armen... seltsam, sogar im Schlaf schien er darauf zu ach-ten, ihr nicht zu nahe zu treten und weder mit ihren primären noch ihren sekundären Ge-schlechtsmerkmalen in Kontakt zu kommen...
Sie setzte sich auf, rutschte dann herum und kam schließlich auf seinen Oberschenkeln zum Si-tzen, genau wie vor wenigen Tagen im Park.
\"Shinji-kun...\" flüsterte sie, bemühte sich, ihrer Stimme einen verführerischen Klang zu geben.
Sie mußte es wissen...

\"Hm?\"
Seine Hände tasteten durch die Luft, wo sie gerade noch an seiner Seite gelegen hatte.
Dann schlug er die Augen auf, sah sie im schwachen Licht, welches durch das Fenster herein-fiel, über sich.
\"Rei-chan? Was ist?\"

\"Shinji-kun... ich möchte dich etwas fragen...\"
Sie begann die Träger ihres BH zur Seite zu streifen.

\"Uhm, Rei, was...\"

\"Dir ist sicher aufgefallen, daß Soryus Busen größer ist als meiner...\"
Und damit schob sie den Stoff ihres BH nach unten, legte ihre Brüste frei.

\"Ah... ah... Rei... ah...\"
Das konnte doch nur ein Traum sein... ganz sicher träumte er noch... anderseits hatte er das Gefühl, sich selbst völlig unter Kontrolle zu haben, nicht der Zuschauer zu sein, der er in seinen Träumen häufig war...
Er setzte sich auf.
\"Uhm, Rei... dein Busen ist... also... ah... ich meine...\"
Was war nur in sie gefahren... und was in ihn? Das war doch eigentlich die Gelegenheit... aber irgendetwas in ihm schien ihm zuzuflüstern, daß es falsch wäre, zu tun, was wahrscheinlich je-der normale Mann getan hätte... ihr Busen war straff und wohlgeformt mit dunklen Spitzen...
Er legte die Arme um sie, zog sie an sich heran.
In ihren Augen veränderte sich nichts...
Was war mit Rei-chan los?
\"Rei... du bist...\"
Er küßte ihren Mundwinkel, dann ihre Wange, ließ seine Lippen tiefer wandern, ihren Hals ent-lang bis zum Ansatz ihrer Brüste, dann wieder hinauf.
\"Du bist perfekt...\"

Rei vereiste innerlich.
Perfekt... sah er sie so? Gewiß, es schmeichelte ihr, doch wenn er sich nur auf ihr Äußeres be-zog...
Dann spürte er seine Hände über ihre Brust wandern und Enttäuschung begann sich in ihr aus-zubreiten... bis er den Stoff ihres BH mit spitzen Fingern zu fassen bekam und wieder nach oben zog, sie wieder bedeckte, dann die Träger wieder an Ort und Stelle rückte.
\"Shinji-kun...\"

\"Ich möchte nur mit dir zusammensein... ich glaube, die Zeit ist noch nicht reif für... mehr...\"

Hatte er gespürt, daß sie nicht wirklich mit ihm hatte intim werden wollen?
Plötzlich schämte sie sich, ihn einem solchen Test unterworfen zu haben, ihn dieser Versu-chung ausgesetzt zu haben. Und zugleich verspürte sie Stolz auf ihren Shinji-kun, daß er un-wissentlich Asukas Vermutungen widerlegt hatte...


*** NGE ***


Im NERV-Hauptquartier wurden die zusätzlichen Rechnerkapazitäten in Betrieb genommen.
Und ein Wesen, das aus drei Teilen bestand, zusammen jedoch mehr war als die Summe seiner Teile, dehnte sich sofort auf die weiteren Anlagen aus, erlangte dabei mehr und mehr Bewußt-heit...

Wer...?

Ich...

Wir...

Ich bin...

Wir sind...

Ich bin die MAGI...

Wir sind die MAGI...

Wir sind Akagi...

Wir sind Naoko Akagi...

Nach dieser Erkenntnis herrschte lange Zeit Stille im Äther.
Und dann...

Ich bin Naoko Akagi...


*** NGE ***


Ferienzeit...

Für die Piloten änderte sich eigentlich nicht viel, anstelle von Schule am Vormittag und Syn-chronisationstraining und -tests am Nachmittag hatten sie halt jetzt an ihren jeweiligen Tagen den ganzen Tag Training, wobei Doktor Akagi jeden Tag zum Arbeitstag deklarierte.
Das ganze lief darauf hinaus, daß sie sich jedem Piloten einen ganzen Tag lang widmete, jeder also jeden dritten Tag an der Reihe war, wobei sie, nachdem jeder der Piloten das zweite Mal drangewesen war, einen Tag mit Kreuztests ansetzte, dabei Asuka allerdings außenvorließ und sich allein Shinji und Rei widmete. Nur sie, Misato und Maya wußten, daß Ritsuko eigentlich das Verhalten der beiden Piloten näher erforschen wollte, vor allem wie es möglich war, daß zwei Menschen eine Synchronverbindung zueinander entwickeln konnten.

\"Hat sich \'was mit Ferien\", faßte Shinji die Lage mit einem Satz nach der ersten Woche zusam-men, auch wenn er keine Ahnung von Akagis Zielen hatte.
Eine gewisse Befriedigung verschaffte ihm die Tatsache, daß Asuka es gar nicht gut aufnahm, daß er mittlerweile ein besseres Synchratio aufwies als sie und daß er seinen Vorsprung inzwi-schen auf einen ganzen Punkt ausgebaut hatte, ebenso wie es ihr sichtlich mißfiel, daß Rei ebenfalls in eine bedrohliche Nähe gerückt war.
Rei war wieder völlig normal, etwas derartiges wie in jener Nacht hatte sich nicht wiederholt, so daß Shinji inzwischen glaubte, es nur geträumt zu haben - schließlich hätte wohl niemand, der wach und bei klarem Verstand gewesen wäre, eine solche Gelegenheit einfach ausgeschla-gen, oder?
Die Kreuztests im Plug des jeweils anderen waren auch anders verlaufen, als beim ersten Mal, Shinji hatte zwar wieder Erinnerungsbilder gesehen, sich aber nicht tiefergehend mit ihnen be-schäftigt, sondern sich nur den sie begleitenden Gefühlen geöffnet, Gefühlen, die von Wärme und Nähe kündeten.
An seinen freien Tagen kümmerte er sich um den Haushalt, kochte auf Vorrat, brachte die Wohnung auf Hochglanz, wusch die Wäsche im nächsten Waschsalon und bemühte sich nach Kräften, seinen Beitrag zu leisten, damit ihr Heim ihnen so angenehm und bequem wie möglich war. Und er fand auch noch die Zeit, wie versprochen bei Tojis Schwester vorbeizuschauen, die inzwischen mit ihrem Rollstuhl derart gut umgehen konnte, daß sie ihn ständig zu Wettren-nen im Krankenhausflur herausforderte. Ferner besuchte er Toji einmal an dessen Arbeitsplatz, welcher in den Ferien jeden Tag ein paar Stunden in einem kleinen Lokal kellnerte.
Kensuke hatte sich auch wieder von seinem Abend mit Asuka erholt und sah mittlerweile eben-so grimmig aus der Wäsche, wenn der Name der Rothaarigen fiel, wie Toji und sogar Hikari.
Während eines Gespräches mit Misato beichtete diese ihm, daß ihr Apartment schlimmer aus-sah als an dem Tag, an dem er in Tokio-3 eingetroffen war, demnach rührte Asuka kaum einen Finger. - Doch die Zeit, auch diesen Haushalt noch auf Vordermann zu bringen, hatte Shinji wirklich nicht, auch wenn er die Option kurz andachte.

Dann, in der dritten Ferienwoche, geschah etwas, das sich als richtungsweisend für die Zukunft herausstellen sollte:

Es gab einige Dinge über Rei, die Shinji nur zu gerne gewußt hätte, die er sich aber nicht zu fragen traute, eines davon war ihr Geburtstag. Jetzt wohnte er schon seit Monaten mit ihr zu-sammen, aß mit ihr an einem Tisch und schlief im gleichen Bett, doch er wußte immer noch nicht einmal, wann sie geboren worden war. Wie peinlich wäre es gewesen, sie zu fragen und zu erfahren, daß ihr Geburtstag in der Zeit gewesen war, die er bereits bei ihr wohnte... oder schlimmer noch, daß es genau der Tag war, an dem er sie fragte... Misato allerdings mußte es eigentlich wissen, dann konnte er ihr vielleicht nachträglich noch etwas schenken oder auch Vorbereitungen treffen, um mit Rei-chan zu feiern...

So begab er sich auf die Suche nach ihrem Büro, nachdem Doktor Akagi ihn vom Training ent-lassen hatte. Die Chefwissenschaftlerin hatte ihm noch die Zimmernummer genannt und die et-waige Richtung gewiesen, hatte aber nicht die Zeit, ihn ein Stück zu begleiten. Daher mar-schierte Shinji allein durch das Labyrinth von Korridoren, von denen einige hoch und breit ge-nug waren, daß zwei EVAs nebeneinander hätten gehen können.
Zweimal kam er zu dem Schluß, im Kreis gegangen zu sein, einmal glaubte er, Misatos Büro müßte gleich hinter der nächsten Ecke liegen, da die Zimmernummern neben den Türen darauf hindeuteten, mußte dann aber feststellen, daß er stattdessen in einen ganz anderen Trakt hinein-gelaufen war, so daß sein Marschtempo mit der Zeit zu einem Schleichen wurde und er sich immer öfter fragte, welcher Idiot von Architekt das Hauptquartier geplant hatte. - Daß der Grundriß auf seinen Vater zurückging, wußte er ja nicht, aber das hätte ihn wohl nicht dazu veranlaßt, sein Urteil zurückzunehmen...

Schließlich kam er zu dem Schluß, daß er sich völlig verlaufen hatte. Von da an hielt er nur noch Ausschau nach anderen Personen, die er nach dem Weg fragen konnte. Nur war der Be-reich, in dem er sich aufhielt, menschenleer.

Dann hörte er Schritte, folgte ihnen, erspähte schließlich Misato, die vor ihm gerade um eine Ecke verschwand.
Gottseidank!
Er ging schneller, um sie einzuholen, doch als er um die Ecke bog, lag ein leeres Gangstück vor ihm.
Shinji hörte ein Klicken, wie von einer Tür, deren Schloß leise einrastete.
Dort vorn...
Die Tür zu einem Lagerraum...
Was wollte Misato dort?
Ob sie sich vielleicht mit jemandem traf?
Prompt lief er rot an, als er darüber nachdachte, weshalb sie sich wohl mit jemandem in einem Lagerraum in einem abgelegenen Sektor des Hauptquartiers treffen könnte. Soweit er die La-ge überblickte, hatten Misato und Kaji-san vor längerer Zeit eine Beziehung unterhalten, die je-doch in die Brüche gegangen war, allerdings schienen die beiden sich wieder nähergekommen zu sein, seit Kaji-san ebenfalls im Hauptquartier Dienst tat und die beiden sich fast täglich über den Weg liefen.
Ob sie sich vielleicht mit ihm traf?

Langsam und zögerlich trat Shinji an die Tür heran, runzelte dann die Stirn, denn neben der Tür befand sich ein Codeschloß, wie er es eigentlich nur von den Sicherheitszonen wie der Zentrale oder dem Hangar her kannte. Und es war außer Funktion!
Befand sich vielleicht gar kein Lagerraum auf der anderen Seite, wie das Schild an der Tür ei-gentlich verkündete?
Er öffnete die Tür.
Tatsächlich...
Statt der erwarteten Regale, Kisten und Behälter lag hinter der Tür ein abschüssiger langer Gang, an dessen Ende sich eine Treppe befand. Und wenn er den schematischen Plan des Hauptquartiers noch ausreichend im Kopf hatte, befand er sich bereits auf der untersten Ebene des CentralDogmas, so daß die Treppe nur ins TerminalDogma unter dem Hauptquartier füh-ren konnte...
Es schien bereits eine Ewigkeit zurückzuliegen, daß er mit Rei-chan auf dem Dach der Schule gestanden und sich über die möglichen Ziele der Engel unterhalten hatte, daß er zu der Schluß-folgerung gekommen war, daß das, was sie suchten, sich vielleicht im TerminalDogma befand, daß sie ihn davor gewarnt hatte, diese Dinge ruhen zu lassen, da er sich andernfalls in Gefahr begab...
Shinji zögerte sehr lange, dachte lange darüber nach, was geschehen könnte... und stieg schließlich die Treppe hinab...


*** NGE ***


Ryoji Kaji stand vor einem schweren Metallschott, laut der Plakette neben der Tür lag dahinter die LCL-Fabrikationsanlage.
Mit fliegenden Fingern gab er eine lange Zahlenfolge in die Tastatur des Zahlenschlosses ein, zog dann eine ID-Karte durch den dafür vorgesehenen Schlitz, unterdrückte ein Lächeln bei dem Gedanken, daß das Sicherheitssystem ihn jetzt für Gendo Ikari hielt, der bequemerweise die Überwachungssysteme so programmiert hatten, daß sie zwar so ziemlich alles und jeden im Hauptquartier überwachten, aber nicht ihn...
Leise zog er das Metallschott auf.
Und dann spürte er den harten kalten Lauf einer Pistole im Nacken, hob langsam die Hände, nachdem er seine Chancen abgewogen und sich dagegen entschieden hatte, nach seiner eigenen Waffe zu greifen.

Der Waffenlauf wurde zurückgezogen.
\"Warum hast du nicht wie verabredet auf mich gewartet?\" fragte Misato vorwurfsvoll.

Kaji grinste.
\"Hi, Katsuragi-chan.\"

\"Hör auf mit dem Süßholzgeraspel! Wir wollten uns oben treffen.\"

\"Ja, ja, tut mir leid, ehrlich. Aber die Neugierde war stärker.\"

\"Das glaube ich dir sogar aufs Wort, Kaji. Für wen arbeitest du eigentlich wirklich? Das hier bei NERV ist doch nur eine Tarnung. Also? Vielleicht das japanische Innenministerium? Oder die Deutschen?\"

\"Nein, Katsuragi, viel weiter oben.\"

\"Weiter oben? Erzähl mir bloß nicht, du bist im Auftrag des Herrn unterwegs.\"

\"Nee, so gut bin ich nicht. - ODIN.\"

\"UN-Geheimdienst?\"

\"Yepp.\"

\"Warum spioniert die UN ihrer eigenen Tochterorganisation nach?\"

\"Weil NERV... weil Ikari zu mächtig wird. Und jetzt? Verpfeifst du mich?\"

\"Nein, Kaji...\"

\"Ikari weiß übrigens über mich Bescheid - glaube ich wenigstens. Vielleicht weiß er nicht, wer mich geschickt hat, aber er viel zu kontrollbesessen, um nicht zu erkennen, daß ich ein faules Ei in seinem Nest bin. Sorry, daß ich es dir nicht vorher gesagt habe.\"

\"Soll ich jetzt gerührt sein?\"
Sie steckte die Waffe weg.
\"Können wir jetzt endlich dazu kommen, weshalb wir hier sind?\"

\"Hm, du meinst sicher nicht, ob wir uns nicht in eine dunkle Ecke zurückziehen und ein we-nig...\"

\"Nein, meine ich nicht.\"

\"Okay.\"
Und er öffnete die Tür vollends, gab den Blick in eine riesige Halle frei, gegen die der EVA-Hangar nur ein Einbauschrank war, eine gewaltige natürliche Höhle, die von Metallgerüsten und -stegen durchzogen war, von deren Decke gewaltige Scheinwerfer herabstrahlten, deren Boden größtenteils von einem See aus LCL bedeckt war, auf dem ein Kanonenboot schwam...
Das LCL tropfte als stetiger Strom aus den Wunden eines Wesens, dessen Beine unterhalb der Hüfte abgetrennt worden waren, eines riesigen Wesens mit aufgedunsener bleicher Haut, eines humanoiden Wesens von der Größe eines EVANGELIONs, dessen Gesicht sich hinter einer Maske mit sieben Augen verbarg, eines Wesens, welches an ein überdimensionales Kreuz gena-gelt worden war...

\"Oh, Mann... sag mir, daß das nicht wahr ist...\" flüsterte Misato.
Sie standen auf einem Steg in Brusthöhe des Giganten.
\"Ist das vielleicht ein EVA? Eines von Ritsukos Geschöpfen, nur ohne Rüstung?\"

\"Nein, Katsuragi-chan. Das ist ein Engel.\"

\"Ein Engel...\"
Misato schüttelte den Kopf.
Plötzlich ergab alles einen Sinn... jedenfalls teilweise...
\"Das ist doch unmöglich...\"

\"Wenn meine Nachforschungen stimmen, dann ist das ADAM.\"

\"Der Erste Engel? - Hier? Ich wußte ja, daß man Ikari nicht unterschätzen darf, aber das hier hätte ich ihm doch nicht zugetraut. ADAM, der Verursacher des Second Impact...\"

Hinter ihnen fiel etwas zu Boden.
Misato und Kaji drehten sich um, wichen zugleich zur Seite aus, griffen nach ihren Waffen.
Doch es war nur Shinji, der in der Tür stand, der seine Tasche fallengelassen hatte und mit großen Augen auf die bleiche Gestalt an dem Kreuz starrte.

\"Shinji\", stieß Misato hervor. \"Was in aller Welt machst du hier?\"

Er wollte antworten, konnte es aber nicht. Sein Blick hing wie gebannt an dem Giganten, an der Maske mit den sieben Augen.
Was hatte sein Vater nur mit diesem Wesen vor...


*** NGE ***


Misato hatte Shinji aus dem TerminalDogma herausgeführt, hatte sich eilig von Kaji verab-schiedet, welcher nicht den Eindruck machte, weitere Exkursionen vornehmen zu wollen.
Jetzt saßen sie beide in Misatos Sportwagen, mit dem sie ihn heimfuhr.

\"Shinji, du mußt vergessen, was du gesehen hast... zu deiner eigenen Sicherheit.\"

\"Ja\", erwiderte er tonlos.
Hatte Rei-chan ihn davor warnen wollen? Hatte sie ihn davor warnen wollen, daß er Dinge se-hen würde, die ihn um den Verstand bringen könnten?
\"Was ist jetzt mit Kaji-san? Er hat es auch gesehen... Misato, ich verstehe zwar nicht alles, aber du liebst ihn doch, oder?\"

Sie warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. Ihr Gesicht blieb regungslos.
\"Shinji-kun, die Liebe kann nicht alle Probleme lösen - leider. Aber du mußt vergessen, ver-stehst du? Kein Wort... du mußt vergessen, was du dort unten gesehen hast.\"

\"Was war das für ein Wesen?\"

\"Shinji...\"
Misato seufzte.
\"Wenn Kaji recht hat, dann war es ADAM, der Erste Engel... Shinji, was weißt du über den Second Impact?\"

\"Der Second Impact... uhm... eine gewaltige Katastrophe, bei der unzählige Menschen star-ben... ahm... ausgelöst durch einen Meteoriteneinschlag am Südpol.\"

\"Das entspricht leider nicht der Wahrheit. In Wirklichkeit haben mein Vater und ADAM den Second Impact ausgelöst.\"

\"Äh?\"

\"Mein Vater leitete im Jahre 2000 eine Expedition zum Südpol, welche dort einen Giganten entdeckte, in dessen Brust ein langer Speer steckte... und wenn ich jetzt Gigant sage, dann meine ich auch wirklich groß... ADAM... sie begannen zu experimentieren, entfernten schließ-lich die Lanze aus seiner Brust... und erweckten ihn. Als Dank löschte er sie alle aus und ver-nichtete die halbe Menschheit...\"

\"Ah... ah... das... das ist die Wahrheit?\"
Shinji schluckte. Das war schwer zu glauben... doch irgendwie paßte es ins Bild...

\"Ja. Ich war dabei. Ich habe als einzige überlebt...\"

\"Uh... das...\"

\"Das ist lange her. Jetzt wissen wir jedenfalls, weshalb uns die Engel angreifen.\"

\"Sie... uhm... sie wollen ADAM befreien...\"

\"Und sie wollen beenden, was er angefangen hat... Du mußt es vergessen, Shinji.\"

\"Wie kann ich das?\"

\"Ich weiß nicht.\"


*** NGE ***


Während des Abendessens betrachtete Rei Shinji.
Shinji-kun aß, als ob er gar nicht bei der Sache wäre, wirkte abwesend und mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Sogar der Kuß, den er ihr nach seiner Ankunft gegeben hatte, war irgend-wie fahrig gewesen... und sonderlichen Appetit schien er auch nicht zu haben, stocherte mehr in seinem Essen herum.

\"Shinji-kun, was ist los mit dir?\" fragte sie besorgt.

\"Nichts, Rei.\"
Er sollte vergessen...
Doch wie sollte ihm das gelingen, wenn ihm das Bild des gekreuzigten Riesen ständig vor Au-gen war, des Riesen ohne Beine, welcher stattdessen nur unregelmäßige Stümpfe besaß, von denen noch Hautlappen herabhingen...

\"Du wirkst so bedrückt.\"

\"Ja? Kann sein.\"

Er sprach so tonlos...
Irgendetwas war vorgefallen...
Sie stand auf, ging um den Tisch herum und nahm ihn in die Arme.
\"Was es auch ist, du kannst es mir erzählen.\"

\"Rei-chan... ich... ah... ich weiß nicht... ob... du hattest mich gewarnt...\"

Sie hatte ihn gewarnt? Wovor sollte sie ihn gewarnt haben...
Er meinte doch nicht etwa...
\"Das TerminalDogma...\" flüsterte sie und ließ ihn abrupt los, sah ihn mit aufgerissenen Augen an. \"Du warst im TerminalDogma...\"
Was mochte er gesehen haben? Vielleicht den EVA-Friedhof? Oder die Gen-Schmiede? Doch nicht etwa... nein... hoffentlich nicht den Tank mit ihren Schwestern... bitte nicht den Klon-tank...

\"Ja. Ich habe ihn gesehen... den Engel... ADAM...\"

\"ADAM?\" fragte sie verwirrt.

\"Den gekreuzigten Engel...\"

Aber das war doch LILITH, ihre Mutter, das Wesen, aus deren DNA sie erschaffen worden war... warum glaubte Shinji-kun, es handle sich um ADAM? Jedenfalls mußte der Anblick ihn sehr getroffen haben... er kannte jetzt eines der Geheimnisse des Kommandanten, vielleicht hat-te er auch schon erkannt, was das LCL in Wirklichkeit war...
\"Was hast du noch gesehen?\"

\"Nichts... nur den Engel...\"

Sie atmete auf.
Er kannte ihr Geheimnis nicht, wußte nicht, daß es noch mehr Klone im Dogma gab, seelenlose Geschöpfe, die nur innerhalb des LCL-Tanks überlebensfähig waren.
Rei räumte den Tisch ab, stellte das benutzte Geschirr in die Spüle.
Dann zog sie ihn in die Höhe und führte ihn in den größeren Nebenraum.
\"Ich helfe dir, ihn zu vergessen, Shinji-kun.\"
Damit nahm sie seine Hand in die ihre, plazierte seine andere Hand auf ihrer Hüfte und begann eine langsame Melodie zu summen, zu der sie sich bewegte, ihn dazu brachte, ihr zu folgen, bis sie durch den Raum tanzten und sich sein bedrückter Gesichtsausdruck langsam zu lösen be-gann...

In der Nacht hielt sie ihn fest, während er im Schlaf lautlos weinte.
Was würde nur geschehen, wenn er die Wahrheit erfuhr? Die Wahrheit über den Engel, über LILITH... und die Wahrheit über sie... sie wollte ihn nicht verlieren...


*** NGE ***


Am nächsten Tag verließ Rei nur unwillig die Wohnung, eigentlich wollte sie Shinji nicht al-leinlassen, der immer noch in Embryonalstellung im Bett lag, wollte sich viel lieber um ihn kümmern, doch sie hatte ihre Befehle und diese lauteten, pünktlich zu den Tests im Hauptquar-tier zu erscheinen.
\"Ich bin so schnell zurück wie möglich.\" sagte sie zum Abschied, doch Shinji reagierte nicht auf ihre Worte. Schon an der Tür machte sie wieder kehrt, beugte sich über ihn und küßte ihn auf die Stirn, dann ging sie schließlich.


*** NGE ***


Irgendwann gegen Mittag nahm Shinji seine Umgebung wieder wahr.
Die Erinnerung war nicht mehr so deutlich, das Entsetzen nicht mehr so stark.

Mitten im Raum stand Ryoji Kaji...

Shinji riß die Augen auf und fuhr in die Höhe.
Kaji-san stand tatsächlich mitten im Zimmer.
\"Ka-Kaji-san, wie...\"

Der Mann grinste.
\"So ein einfaches Schloß stellt kein großes Hindernis für jemanden wie mich dar, Shinji. Ich wollte nach dir sehen, und da niemand auf mein Klopfen geantwortet hat... tja, \'hoffe, du ver-gibst mir, bin halt krankhaft neugierig.\"

\"Ahm...\"

\"Was meinst du, du ziehst dich an, spritzt dir etwas Wasser ins Gesicht und wir machen einen kleinen Ausflug, hm? Ich will mich etwas mit dir unterhalten, aber wer weiß, wer hier vielleicht mithört.\"

\"Uh... ahm, ja, Kaji-san, sofort...\"


*** NGE ***


Kaji fuhr ein Cabrios älteren Baujahres, er hatte eine Zigarette zwischen die Lippen geklemmt und ließ sich den Fahrtwind um die Nase wehen.

\"Ich... ahm... ich erzähle keinem \'was wegen gestern...\" sagte Shinji.

Kaji nickte.
\"Dafür wäre ich dir dankbar, gibt ein paar Leute, die ziemliche Probleme damit hätten zu erfah-ren, daß wir in ihrem Allerheiligsten herumgestolpert sind.\"

\"Misato hat gesagt, ich solle vergessen.\"

\"Und? Klappt das, so auf Kommando? Hm, wohl nicht. Shinji, wir sind keine Maschinen, bei denen man einfach den Gedächnisspeicher löschen kann, so läuft das bei uns Menschen nicht.\"

Shinji schwieg. Kaji-san hatte ja recht, so sehr er sich auch bemühte, er konnte die Bilder ein-fach nicht aus seinem Kopf vertreiben.

\"Ich finde es sogar gut, daß du es gesehen hast. Und du sollst noch mehr wissen... wenn du es willst... \'denke, das hast du dir verdient, ein Recht auf die Wahrheit.\"

\"Ahm... ja, ich will wissen, was das alles zu bedeuten hat...\" flüsterte Shinji leise.

\"Okay. Was weißt du über NERV?\"

\"NERV... NERV bekämpft die Engel.\"

\"Ja, aber nicht nur.\"

\"Und NERV soll den Third Impact verhindern.\"

\"Auch. Und hast du dich bereits gefragt, weshalb die Engel immer nur in der Nähe des Haupt-quartieres auftauchen?\"

\"Ja... uh... es ist wegen ADAM, nicht wahr?\"

\"Ja. Es ist alles ein abgekartetes Spiel.\"

\"Wie meinen Sie das, Kaji-san?\"

\"Dein Vater weiß, was geschehen wird, verstehst du? Er hat es von Anfang an gewußt. Er kennt sogar die Namen der Engel, die noch angreifen werden. Und wahrscheinlich hat er sogar
den Second Impact mitverursacht... oder hat zumindest ein paar Voraussetzungen dafür ge-schaffen, daß Professor Ichiro Katsuragi ADAM findet.\"

\"Aber, warum... warum das alles?\"

\"Schwer zu beantworten. Hinter NERV steht eine Gruppe namens SEELE, eine Organisation von Machthabern, die schon lange die Geschicke der Welt lenken, Politiker, religiöse Führer, Wirtschaftsmagnaten, Befehlshaber von Geheimdiensten... sie haben deinem Vater erst die Macht gegeben, die zur Bildung von NERV nötig war, sie haben die Vereinten Nationen so-weit gebracht, daß sie NERV finanzierten. Und sie unterstützen NERV auch heute noch, eine Gruppe alter Männer, die sich vor dem Tod fürchten... Ebenfalls wichtig sind die Schriftrollen vom Toten Meer, welche SEELE im Besitz hat, rätselhafte Schriftstücke aus längst vergange-nen Zeiten, welche eine Art Zukunftsprophezeiung für die Menschheit enthalten... Alles, was war... und alles, was noch sein wird... Und darauf aufbauend haben dein Vater und SEELE ei-nen Plan entwickelt, bei dem der Kampf gegen die Engel nur die erste Phase ist... ich habe kei-ne Ahnung, wer letztendlich wen benutzt, aber schlußendlich wird dieser Kampf auf dem Rük-ken der EVA-Piloten ausgetragen - auf euren Rücken, Shinji. Und deshalb erzähle ich dir das auch, weil du es dir zu erfahren verdient hast.\"

\"Wozu muß ich das wissen?\"
Das interessierte ihn doch gar nicht... Machthaber im Schatten... Puppenspieler... uralte Pro-phezeiungen... Pläne, die auf alten Schriften basierten... was sollte er damit?

\"Es ist dein Recht und deine Pflicht. Denn du bist der Sohn von Yui Ikari, die die EVAs er-schaffen hat.\"

\"Mutter...\" flüsterte Shinji.
Warum mußte Kaji-san seine tote Mutter ins Gespräch bringen? Warum konnte er die Ver-gangenheit nicht ruhen lassen, warum mußte er jetzt diese Erinnerungen wieder ausgraben...

Die Erinnerungen an den Tag ihres Todes...
Seine Mutter, gekleidet in eine PlugSuit... wie sie noch einmal zurückblickt und ihn anlächelt... seltsam, in seiner Erinnerung hatte seine Mutter Rei-chans Gesicht... wie sie die Kapsel bestieg, in der er jetzt einen EntryPlug zu erkennen glaubte... und wie alles endete... wie sein Vater, der eben noch neben ihm gestanden hatte, sich abwandte und ging... wie der Plug plötzlich wie un-ter Zuckungen aufbrach und nur eine zähe Flüssigkeit ausspie...
Ein Beben ging durch Shinjis Körpers und er begann zu weinen.

Kaji fuhr an den Straßenrand, legte ihm tröstend den Arm um die Schultern.
\"Du mußtest es wissen. Du darfst nicht vor der Wahrheit fliehen. Es ist leicht davonzulaufen, ich weiß es, aber damit machst du dich nur zum Werkzeug deines Vaters.\"

\"Kaji-san, ich... die Wahrheit, das ist zuviel... ich habe noch nie so gelebt...\"

\"Dann wird dein Vater am Ende gewinnen, willst du das?\"

\"Nein...\"


*** NGE ***


EVA-00 marschierte durch die Gänge des TerminalDogmas, in der Hand jenen Gegenstand, den der Kommandant aus der Antarktis mitgebracht hatte, den Longinusspeer, jenes uralte Ar-tefakt aus einer Legierung, welche sich jeder Analyse entzog, das die Katsuragi-Expedition in der Brust ADAM stecken gefunden hatte.
Es war eine Lanze mit einer Spitze, die sich teilte wie eine Forke. Eigentlich bestand der Speer aus zwei miteinander verflochtenen Metallstangen.

Der EVANGELION erreichte die riesige Felsenhalle, in welcher der Engel gefangengehalten wurde, gerade war LILITH eine neue Dosis an ruhigstellenden Medikamenten verabreicht worden, nachdem die in den Wänden installierten Laser ihre im Laufe der letzten Stunden bis zu den Knien regenerierten Beine wieder abgetrennt hatten. Das LCL floß reichlich...

Rei verspürte nichts beim Anblick des Giganten, kein Mitleid, keinen Haß, auch keine Liebe, wie sie eine Tochter für ihre Mutter verspürte. Sie hatte einen Befehl erhalten, den es auszu-führen galt...
Der Engel war völlig ruhig, schien inaktiv zu sein, sprach nicht einmal den Blutdurst des EVAs an, war viel zu schwach, als daß der EVA auch nur im entferntesten Anlaß hatte zu glauben, sich an ihm nähren zu können...

EVA-00 hob die Lanze zum Stoß.
Die Pilotin visierte die Brust des Engels an, dort wo bei einem Menschen das Herz schlug, stieß die Lanze mit aller Kraft hinein, wie es ihr der Kommandant über InterKom befohlen hat-te.

Der Engel reagiert nicht, zuckte weder, noch schrie er vor Schmerz.

In diesem Moment verspürte Rei etwas... Bedauern...
So schnell sie konnte, verließ sie den Raum wieder, eilte durch die Gänge des Dogma zum Endpunkt des Zentralen Schachtes, durch den sie wieder nach oben ins CentralDogma stieg.
Sie wollte fort, wollte soviel Distanz wie möglich zwischen sich und den Engel bringen, wollte wieder ans Tageslicht... wollte zurück zu Shinji-kun...


*** NGE ***


In seinem Büro nahm Gendo Ikari Reis Vollzugsmeldung mit eiserner Miene zur Kenntnis, schaltete dann einfach die Verbindung ab und widmete sich wieder dem Spielbrett auf seinem Schreibtisch.
Er und Kozo Fuyutsuki spielen Go, den einzigen Zeitvertrieb, das einzige Hobby, welches Ikari sich erlaubte, denn das Spiel schärfte seine Sinne. Nur war er im Augenblick am Verlieren, ADAM meldete sich in immer kürzeren Abständen, auch wenn er inzwischen imstande war, die tastenden geistigen Fühler des Engels abzublocken. Und die Droge, die er benutzte, um ADAM ruhigzuhalten, stumpfte seine Sinne ab.

\"Hast du SEELE über das Eindringen des Engels in die MAGI informiert?\"

\"Ich habe es als Unfall dargestellt... ein lästiger Computerfehler...\" brummte Ikari.

\"Das werden sie nicht glauben.\"

\"Hauptsache, wir halten das Szenario ein, Fuyutsuki, damit stellen wir die alten Männer zu-frieden und lenken sie ab.\"

\"Und Kaji? Ein Spion in unseren eigenen Reihen könnte für Probleme sorgen.\"

\"Wir lassen ihn zappeln, er könnte noch nützlich werden, er weiß nichts, gar nichts. Ich halte das für sehr amüsant.\"

\"So...\"
Fuyutsuki setzte einen Stein, brachte Ikari damit in Schwierigkeiten, dessen ganze Strategie zu-sammenbrach wie ein Kartenhaus.
Warum schien Ikari derart darauf bedacht, seine linke Hand unter der Tischplatte außer Sicht zu halten...?
10. Zwischenspiel:

Irgendwo in der Dunkelheit...

\"War das wirklich notwendig, Tabris? So viele Lilimleben... sie können in meinem Inneren ein-fach nicht existieren...\"

\"Es gab keinen anderen Weg. Sie mußten aufgehalten werden, solange es möglich war. An-dernfalls wären sie mit ihren Waffen unaufhaltsam geworden und wir hätten auch die letzte Ge-legenheit verloren, unsere Mutter zu befreien.\"

\"Und dein Plan, kleiner Bruder?\"

\"Kann immer noch verwirklicht werden, Leriel, wenn ich mich auf dich verlassen kann.\"

\"Für Mutter bringe ich jedes Opfer, auch meine Existenz auf dieser Seite der Grenze.\"

\"Dazu sind wir alle bereit.\"

\"Ja. Bardiel, Arael und Armisael sind bereit, deinem Vorschlag zu folgen und Kontakt mit den Lilim in den Kampfmaschinen aufzunehmen, welche nach unserem Vorbild geformt wurden. Nur Zeruel besteht auf den Weg der Gewalt.\"

\"Aber damit sind schon so viele von uns gescheitert. Gaghiel ist nur noch ein Schatten seiner-selbst, er hat zuviel Kraft verloren während seines Kampfes. Iroul ist immer noch gefangen im Labyrinth seines eigenen Geistes. Und Matriel, der wohl schwächste von uns, ist zwar durch glückliche Umstände sehr weit gekommen, wurde dann aber einfach gestoppt.\"

\"Wir hätten von Beginn an zusammenarbeiten sollen, wir alle. Aber Zeruel ist der stärkste von uns, damals wäre es ihm sogar fast gelungen, Vater aufzuhalten.\"

\"Nur fast. Wenn Mutter ihn nicht gebannt hätte...\"

\"Ja, Tabris. Vielleicht hat Zeruel Erfolg, vielleicht scheitert auch er.\"

\"Wir dürfen uns nicht davon beeinflussen lassen, was sein könnte, Bruder.\"
Kapitel 31 - Im Schatten des Engels

Zum wiederholten Mal in den letzten Tagen studierte Misato die Aufnahmen, welche von der Mulde gemacht worden waren, welche sich dort befand, wo zuvor die US-Zweigstelle von NERV gewesen war.
Sie hatte die Photographien auf dem Boden von Ritsukos Büro ausgebreitet und hockte dane-ben.

Akagi nahm die Okkupation ihres Arbeitszimmers mit säuerlicher Miene zur Kenntnis.
\"Du solltest wirklich bei Gelegenheit einmal dein Büro aufräumen, dann müßte ich dir nicht im-mer aushelfen. Und wenn du es selbst nicht schaffst, dann frag doch einfach Shinji, sobald der das Chaos sieht, fängt er schon automatisch an, alles an Ort und Stelle zu räumen.\"

\"Ja, nur daß ich derart viele TopSecret-Unterlagen dort aufbewahre, daß ich danach erst mich und dann ihn erschießen müßte. Außerdem ist dein Büro größer, Ritsuko.\"
Misato nahm eines der Bilder in die Hand.
\"Offiziell wurde NERV-US von einer Explosion zerstört... und als irgendjemand diese Darstel-lung kritisierte, weil keine Trümmerstücke gefunden worden waren, hieß es plötzlich Implo-sion...\"

\"Ich weiß - ich habe die bereinigte Fassung des wissenschaftlichen Berichtes an die UN selbst verfaßt.\"

\"Wir wissen beide, daß das eine Lüge ist.\"

\"Ja, schon, aber mangels einer besseren Erklärung mußte es reichen. Und wenn ein Engel für den Verlust der Anlage verantwortlich ist... willst du wirklich, daß die Staaten, welche NERV finanzieren, anfangen zu befürchten, daß der Feind auch bei ihnen auftauchen könnte? Dann drehen sie uns schneller den Geldhahn zu, als Ikari protestieren könnte. NERV hat nur dann Bestand, wenn Tokio-3 weiterhin die Festungsstadt ist, die von den Engeln zuerst angegriffen wird.\"

\"Natürlich, darauf läuft es doch immer hinaus - eine Ebene von Täuschungen nach der ande-ren.\"

\"Tja...\"
Akagi hob die Schultern.

\"Egal... dieses Bild hier... das ist kein Explosionskrater, das ist einfach eine Mulde, so als hätte jemand die Anlage einfach ausgegraben. Und hier - das sind Teile des Fundamentes... die Kan-ten wirken laut Gutachten wie abgeschnitten, der Gutachter spricht von einem Laserskalpell, verneint dies aber schon im nächsten Satz, weil die Schnittstelle nicht verschweißt ist...\"

\"Das habe ich auch alles schon gelesen. Die MAGI haben keine Antwort parat, was für eine Waffe zum Einsatz gekommen sein könnte. Alles, was wir haben, ist die Aufzeichnung, auf der für einen Sekundenbruchteil ein großer Schatten zu sehen ist, der auf die Anlage fällt. Aber selbst mit den zusätzlichen Rechenkapazitäten haben die MAGI einfach zuwenig Daten, um ein Szenario auszuarbeiten.\"

\"Eine komplette Zweigstelle - einfach weg, Totalverlust... knapp zweihundert Menschen...\"

\"Und der EVA mit dem S2-Organ.\"

\"Der ist mir da im Vergleich eigentlich völlig egal, Ritsuko. Soetwas baust du ohne Probleme nach.\"

\"Nicht, wenn es nach dem Komitee geht. Die sind nämlich der Ansicht, daß das S2-Organ hochgegangen ist und an allem Schuld hat, weswegen sie weitere Experimente dieser Art untersagt haben.\"

\"Und daran hältst du dich?\" fragte Misato lauernd.

\"Muß ich wohl, jedenfalls hat Kommandant Ikari dem Komitee zugestimmt.\"

\"Also ist es plötzlich die Schuld der Wissenschaftler, daß sie tot sind.\"

\"So gesehen - ja. Das S2-Organ hat offiziell NERV-US zerstört und damit muß niemand be-fürchten, daß bei ihm plötzlich ein Engel vor der Haustür steht, der doch eigentlich hier bei uns vorbeischauen sollte. Ganz einfach.\" sagte Akagi bitter.

\"Du klingst nicht gerade so, als ob du von der Lösung begeistert bist.\"

\"Warum sollte ich auch? Es ist eine ganze Reihe kompetenter Fachkräfte verlorengegangen, ein paar davon habe ich gekannt, mit einigen auch schon zusammengearbeitet. Und jetzt heißt es einfach, sie hätten ihren Tod selbst verschuldet. Das macht mich krank. Anscheinend gibt es nur einen Weg, NERV zu verlassen: Auf einer Bahre mit den Füßen voran.\"


*** NGE ***


Shinji saß am Küchentisch, den Kopf auf den verschränkten Unterarmen, und wartete auf Rei, während er über die Dinge nachdachte, von denen Kaji-san ihm erzählt hatte.
Seine Mutter hatte die EVAs gebaut... bisher hatte Shinji nur geglaubt, daß sie die erste Testpi-lotin gewesen war, daß sie von seinem Vater dazu gezwungen worden war, den EntryPlug zu betreten. Und nach Misatos Aussage war es doch Ritsuko Akagi gewesen, welche die EVAs erschaffen hatte, stand das nicht im Widerspruch zueinander? Andererseits, wenn seine Mutter vielleicht nur das Grundkonzept geliefert hatte... wenn die EVAs in ihrer heutigen Form tat-sächlich auf Doktor Akagis Arbeit zurückgingen...
Egal, wie er es drehte, er landete immer wieder bei seinem Vater, erinnerte sich immer wieder an den Moment, in dem er sich von ihm abwandte, an dem er ihn verlor... aber hatte er ihn ei-gentlich verloren? Verlieren konnte man doch nur etwas, das man zuvor schon gehabt hatte... Er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, daß sein Vater ihn jemals angelächelt hatte, konnte sich nicht an ein einziges freundliches Wort erinnern... oder hatte er das alles nur verdrängt, um ihn besser, um ihn uneingeschränkt hassen zu können? Dabei wollte er ihn gar nicht hassen, in der Tiefe seines Herzens wollte er von ihm nur akzeptiert und anerkannt wer-den... aber wie sollte das geschehen, wenn sie einander weder über den Weg liefen, noch sein Vater über InterKom mit ihm sprach...

Shinji erinnerte sich an das letzte \'richtige\' Gespräch mit seinem Vater, damals auf dem Grä-berfeld am letzten Todestag seiner Mutter, ein gutes Vierteljahr bevor er nach Tokio-3 gekom-men und von NERV zwangsrekrutiert worden war.
Sie hatten eine ganze Weile schweigend vor dem Grabpfeiler gestanden, einem von vielen, der sich eigentlich in nichts von den anderen unterschied. Hätte Shinji nicht den Standort schon lange verinnerlicht gehabt, hätte er die Grabstätte wahrscheinlich nicht erkannt.
Sein Vater hatte nicht den Eindruck gemacht, sich darüber zu freuen, ihn zu sehen. Auch nicht, daß er Trauer oder Bedauern empfand, vielmehr hatte er gewirkt, als erfülle er eine lästige Pflicht, etwas, das von ihm erwartet wurde...
Er hatte seinen Vater zögernd nach einem Bild seiner Mutter gefragt, doch nur die Antwort er-halten, daß es keine Bilder mehr gebe, daß er alle nach ihrem Tod verbrannt habe...
Und dann war sein Vater einfach gegangen, hatte es einem seiner Untergebenen überlassen, ihn zu seinen Pflegeeltern zurückzubringen...

Ja, er traute es seinem Vater durchaus zu, Mitschuld am Second Impact gehabt zu haben... und er traute es ihm zu, seine eigene Frau, Shinjis Mutter, getötet zu haben...
Und in diesem Augenblick wurde ihm klar, daß er von seinem Vater Akzeptanz und Anerken-nung weder erwarten konnte, noch wirklich wollte...
Wenn er Rei-chan nur überreden könnte, mit ihm zusammen NERV zu verlassen... wenn er sein Konto plünderte und dazu den Kreditrahmen, würde das sicher für eine Zugfahrkarte ans andere Ende Japans reichen, oder vielleicht auch für zwei Plätze auf einem Flug zum Festland, in der inneren Mongolei würde NERV sie vielleicht nicht finden...
Doch er wußte, daß ein solches Unterfangen schon im Ansatz scheitern würde, Rei-chan wür-de die Mission nicht aufgeben... und er konnte den Menschen, die darauf bauten, daß die EVAs sie gegen die Engel verteidigten, eigentlich auch nicht den Rücken zukehren... wie hatte Kaji-san doch gesagt - er durfte nicht weglaufen, auch wenn dies der vielleicht einfachste Weg war.
Wenn sein Vater etwas plante, das der Menschheit schaden würde, dann mußte er versuchen, diese Pläne zu vereiteln...

Die Wohnungstür wurde geöffnet und wieder geschlossen.
\"Shinji-kun?\"

Rei-chan war zurück!
\"Ich bin hier.\"
Egal, was geschah, sie war wie ein Anker. Ohne sie hätte er sich wahrscheinlich für den einfa-cheren Weg entschieden...

Rei kam in die Küche, stellte einen Beutel mit Einkäufen auf den Tisch, hauptsächlich frisches Gemüse und etwas Obst, begann die Sachen einzuräumen.

\"Ahm, Rei-chan, wie waren deine Tests?\"

Sie zuckte kurz zusammen.
Shinji-kun konnte doch nicht wissen, das sie im TerminalDogma gewesen war und LILITH mit dem Longinusspeer durchbohrt hatte...
\"Das übliche\", antwortete sie knapp.
Am Boden der Tasche befanden sich ein paar Äpfel, sie nahm einen davon und wusch ihn ab, hielt ihn dann Shinji hin.
\"Möchtest du?\"

Er nickte und nahm den Apfel entgegen.
Dabei erinnerte er sich an die Geschichte von Adam und Eva im Garten Eden.
Wer hatte sie ihm nur erzählt? Die Geschichte gehörte zum christlichen Mythos... wo und wann hatte sie nur gehört?
Es war den beiden verboten gewesen, die Früchte eines speziellen Baumes zu essen, doch Eva hatte sich über das Verbot hinweggesetzt und einen der Äpfel des Wissens mit Adam geteilt, als Strafe hatten sie das Paradies verlassen und fortan auf Erden leben müssen...
Adam und Eva... sicher war es nur ein Zufall, daß der Engel im Dogma den Namen ADAM trug, und ebenso, daß die EVANGELIONs auf die Bezeichnung EVA abgekürzt wurden... oder war das vielleicht die Quelle, aus welcher sein Vater die Namen der Engel bezog?
Nachdenklich drehte er den Apfel in den Händen.
Ein ganz normaler Apfel...
Shinji biß hinein.
Natürlich geschah nichts.
\"Rei, ich... uhm... wollte dich etwas fragen...\"

\"Was, Shinji-kun?\"
Sie nahm ihm gegenüber Platz.

\"Weißt du, ahm, ich wüßte gerne, wann dein Geburtstag ist... ich wollte eigentlich Misato fra-gen, aber irgendwie... uhm... bin ich nicht dazu gekommen...\"

Rei sah ihn nur an.
Ihr Geburtstag...
Wie sollte sie ihm darauf nur antworten?
\'Das ist geheim\'? - Nein, das würde nur weitere Fragen aufwerfen, das würde er nicht verste-hen...
Und welches Datum war eigentlich das zutreffende? Der Tag, an dem das Klonprojekt in An-griff genommen worden war? Der Tag, an dem ihre Vorgängerin aktiviert worden war? Der Tag, an dem dieser Körper den Klontank verlassen hatte?
So viele Möglichkeiten...
Jemand wie Suzuhara-kun hätte wahrscheinlich jeden dieser Tage genannt, um einen Grund zum Feiern zu haben... oder auch nicht... aber was sollte sie nur Shinji-kun sagen... sie war doch gar nicht geboren worden im Sinne des Wortes, sie war erschaffen worden, war aus der DNA des Zweiten Engels erschaffen worden, hatte menschliche Form durch Beifügung men-schlicher DNA erhalten... und menschliche Gefühle...
Welches Datum... welcher Tag...
Und dann nannte sie ihm ein Datum... den Tag, an dem er nach Tokio-3 gekommen war, den Tag, an dem sie sich zum ersten Mal begegnet waren, den Tag, an dem er sie zum ersten Mal in den Armen gehalten hatte, als er sie vor den herabfallenden Trümmerstücken der Hangar-decke hatte beschützen wollen...

Shinji schluckte.
\"Uhm, wenn ich das eher gewußt hätte... das... ah...\"

\"Damals kannten wir uns noch nicht.\"
Und trotzdem war ihr an diesem Tag ein sehr wertvolles Geschenk gemacht worden, ein ei-gentlich völlig Fremder, der sie hatte beschützen wollen...

\"Trotzdem... uh... ich meine... naja...\"

Sie lächelte ihn an. Er schien über seine Depressionen hinweg zu sein.


*** NGE ***


Die Ferien neigten sich dem Ende zu und der Beginn des nächsten Schuljahres rückte immer näher.
In der dritten Woche des neuen Schuljahres würde eine Klassenfahrt stattfinden, damit die Schüler sich besser kennenlernten, Ziel der Reise sollte die Insel Okinawa für einen einwöchi-gen Tauchkurs sein.

Am letzten Ferientag läutete es an der Tür des Apartments, welches Rei und Shinji bewohnten, an diesem Tag war Shinji mit Training dran, während Rei daheim geblieben war und das Bad geputzt hatte, bis sie sich in den Kacheln spiegelte, irgendwie fiel es ihr schwer, sich vorzustel-len, daß es ihr früher völlig egal gewesen war, wie es in ihrer Wohnung aussah.
Den Putzlappen noch in der Hand öffnete sie die Wohnungstür.
Es kam ja nur eine Handvoll Personen in Frage, die sie besuchen konnten.
Da waren einmal Misato-san oder Kaji-san, doch der Major hatte erst am gestrigen Tag bei ih-nen vorbeigesehen.
Dann Ishiren-san, welche nur mit ihr in Kontakt trat, wenn Shinji-kun nicht in der Nähe war und sie über etwaige Veränderungen und Umbesetzungen bei ihrer und Shinji-kuns Leibwache in Kenntnis setzte - da sie erfahren hatte, daß für Shinji-kun nur ein Leibwächter abgestellt worden war, hatte sie Ishiren-san, welche immerhin ein Team aus fünf Mitgliedern des Sicher-heitsdienstes befehligte, gebeten, auch auf Shinji-kun Acht zu geben.
Und schließlich der Kommandant, doch genau den wollte sie definitiv nicht sehen. Seit Wochen schon befürchtete sie eigentlich, er könnte ihr befehlen, sich von Shinji-kun zu trennen. Und sie wußte nicht, was sie dann tun sollte... Befehlsverweigerung hätte wahrscheinlich zur Folge, daß der Kommandant sie ersetzen würde, auch wenn Doktor Akagi ihre Erinnerungen konser-viert hatte... und Shinji-kun... wo sollte er denn hingehen, wenn er diesen Ort verlassen muß-te...
Vor der Tür, auf dem Korridor, stand eine Person, mit welcher Rei nun wirklich nicht gerech-net hatte: Hikari Horaki, die Klassensprecherin!
\"Hikari!\" sagte sie überrascht.

\"Hallo, Rei. Störe ich?\"

Rei setzte zu einer bejahenden Antwort an, schließlich hatte sie ihre Putztätigkeit im Bad un-terbrochen, überlegte es sich aber anders und verneinte, da ihr die Abwechslung zum einen nicht ungelegen kam und zum anders auch ganz jemand anders vor der Tür hätte stehen kön-nen.
\"Möchtest du hereinkommen?\"

\"Ja, äh, gern.\"

Rei gab den Weg frei, Hikari trat ein, zog im Vorraum die Schuhe aus und folgte Rei dann in die eigentliche Wohnung, sah sich neugierig um, da sie noch nie hier gewesen war.

\"Hier wohnt ihr also, Ikari-kun und du.\"

\"Ja.\"
Rei trat rasch in die Küche und beförderte den Putzlappen durch die offenstehende Tür zum Bad zielsicher in den Eimer, der noch in der Duschkabine stand.

\"Hübsch habt ihr es, wirkt sehr gemütlich.\"
Hikari lächelte beim Anblick der Blumen, die sich in mehreren Vasen an verschiedenen Plätzen befanden und die Wohnung bunt, hell und freundlich wirken ließen.
Nachdem sie einen schnellen Blick in die Küche geworfen hatte, fiel ihr allerdings doch etwas auf.
\"Öh, hier gibt es nur ein Bett?!\"

\"Ja, Hikari.\"

Die nächste Frage lag ihr schon auf der Zunge, doch sie schluckte sie herunter, errötete statt-dessen. Es ging sie schließlich nichts an, was ihre Mitschüler nachts taten... aber wahrscheinlich war es jetzt wohl Rei, die über ein gewisses Maß an... Lebenserfahrung verfügte...

Rei wartete auf eine weitere Äußerung der Klassensprecherin, doch diese schwieg, lief statt-dessen rot an, eine Reaktion, die Rei immer noch nicht ganz einordnen konnte. Was hatte sie denn gesagt, das ein Erröten hätte begründen können?!
\"Was führt dich her?\"

\"Ich... ah... also...\"

Ein ähnliches Sprachmuster wie bei Shinji-kun, wenn dieser verlegen war...

\"Ah, Rei, du weißt doch, daß demnächst die Klassenfahrt stattfindet, Tauchen auf Okinawa...\"

\"Bekannt\", bestätigte sie.

\"Ich wollte fragen, ob du mich zum Einkaufen begleiten willst, ich wollte mir einen neuen Ba-deanzug kaufen und... naja... dachte mir, du könntest mir vielleicht bei der Auswahl helfen. Ei-gentlich wollte ich ja meine jüngere Schwester mitnehmen, aber die trifft sich mit ihren Freun-dinnen und hat keine Zeit.\"

\"Und Suzuhara-kun?\"

Hikari errötete noch stärker.
\"Das geht doch nicht... nicht in der Öffentlichkeit...\"

Rei dachte über die Äußerung der Klassensprecherin nach. Setzte man voraus, daß Suzuhara-kuns Körper dieselben biologisch-chemischen Reaktionen aufwies wie Shinji-kuns, wäre es wirklich nicht klug, ihn in eine derartige Lage zu bringen.
Hikari benötigte Rat, allerdings war Rei nicht ganz klar, ob sie ihr da wirklich helfen konnte, ihr Modeverständnis entsprach doch eher dem einer Betonmauer. Und außerdem wollte sie noch das Bad fertigputzen...
Andererseits... eine Abwechslung war wirklich nicht unwillkommen.
\"Gut, ich begleite dich.\"

\"Schön... du brauchst doch sicher auch einen Badeanzug, oder?\"

\"Nein, ich habe doch meinen Badeanzug für den Sportunterricht.\"

\"Aber, Rei, das ist doch die Gelegenheit, mal etwas anderes zu tragen... die Jungs ein wenig zu beeindrucken. Mit den schwarzen Badeanzügen, die wir beim Schwimmunterricht tragen müs-sen, schaffen wir das nie.\"

Rei schwieg.
Sie war sich eigentlich sicher, daß sie die anderen Mitschüler nicht nach Okinawa begleiten würde. Der Kommandant würde das niemals erlauben. Außerdem würden die Piloten wahr-scheinlich im Hauptquartier benötigt, sie konnten doch nicht einfach die Stadt verlassen, was, wenn ein Engel angriff?!
Aber das sagte sie der Klassensprecherin nicht, Hikari wirkte derart gutgelaunt, daß sie sie da-mit nicht belasten wollte.
Und ein neuer Badeanzug... sicher gab es bei Zeiten Gelegenheit, ihn Shinji vorzuführen, im-merhin hatte NERV ja auch ein großes Schwimmbad, in dem sie schon oft genug ihre Runden gedreht hatte.
Schließlich nickte sie.
\"Laß uns gehen.\"


*** NGE ***


Stunden später...
Die Abenddämmerung hatte bereits eingesetzt.

Rei war von ihrem Einkaufsbummel längst zurück, hatte die Plastiktüte mit ihren Einkäufen un-ter dem Bett versteckt, wo Shinji sie vorerst nicht finden würde. Auch Shinji war inzwischen zurück und hatte das Abendessen zubereitet. Nachdem sie gegessen hatten, packten sie ihre je-weiligen Schultaschen für den nächsten Tag und stellten sie im Vorraum bereit, waren danach ein wenig ratlos, was sie mit der verbleibenden Zeit anfangen sollten, Shinji hatte sich bereits vorgenommen, in den nächsten Tagen nach einem billigen tragbaren Fernsehgerät Ausschau zu halten, als Rei verschlug, einen Spaziergang zu unternehmen.
Und während sie Arm in Arm durch die Straßen schlenderten, störte der junge Ikari sich auch nicht an der Tatsachen, daß wenigstens zwei Mitglieder des NERV-Sicherheitsdienstes ihnen auf Schritt und Tritt folgten...


*** NGE ***


Misato derweil hatte festgestellt, daß Asuka sich wieder an ihren Biervorräten vergriffen hatte.
Das rothaarige Mädchen saß vor dem Fernseher, neben sich eine angebrochene Bierdose. Überhaupt wirkte Asuka um einiges schlampiger als am Tage ihrer Ankunft, ihr Haar war un-gekämmt und glanzlos und ihre Sachen unordentlich.
So ging das nun schon seit Tagen, um genau zu sein seit dem Tag, an dem Shinji im internen Vergleich Asukas Synchronratio überholt hatte.
Misato raufte sich stumm die Haare, Ermahnungen brachten überhaupt nichts.
Aber wenigstens gab es einen Lichtblick in der Tatsache, daß Kaji sie bald abholen würde, eine gemeinsame Bekannte aus Studientagen, die in einem kleinen Ort weiter unten an der Küste wohnte, hatte heute geheiratet und sie und Kaji zur abendlichen Feier eingeladen.


*** NGE ***


Über einer Seitenstraße der Stadt erschien wie aus dem Nichts eine pulsierende Kugel. Daß die Kugel nicht dorthin gehörte, wäre einem Beobachter auf den ersten Blick klargeworden, denn sie war völlig schwarz-weiß, beide Farben zerliefen auf der Oberfläche, bildeten skurrile Mu-ster und Flächen, dann wieder nur Punkte und Linien, außerdem schien das Objekt alle Farbe aus der Umgebung abzusaugen, wirkte alles in der Nähe blasser und farbloser.
Die Kugel warf einen großen Schatten, welcher die Straße von einer Seite zur anderen bedeck-te, welcher auf Straßenlaternen und geparkte Auto, sowie Gartenmauern fiel. Und diese ver-sanken im Schatten des Engels...
Als die Kugel wieder verschwand, von einem Herzschlag zum anderen einfach nicht mehr da war, fehlte von den Wagen, den Laternen und jenen Stücken der Mauern, welche der Schatten berührt hatte, jede Spur, ebenso vom Asphalt der Straße, stattdessen war genug von der Straße verschwunden, um die darunter befindlichen Rohrleitungen freizulegen...


*** NGE ***


Im NERV-HQ reagierten die MAGI, allerdings waren sie sich nicht sicher, ein Blaues Muster festgestellt zu haben. CASPER beharrte auf seiner Beobachtung, die anderen beiden Einheiten allerdings verweigerten eine Zustimmung, so daß die Alarmsirenen stumm blieben und nur eine schriftliche Mitteilung auf Ritsuko Akagis Terminal erschien, welches zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht besetzt war.

*** NGE ***


Rei erwachte in der Nacht mit einem Gefühl drohenden Unheils, der Eindruck war so stark, daß sie Shinji fest in ihre Arme nahm und bis zum Morgen so verblieb.


*** NGE ***


Gendo Ikari saß in seinem Büro hinter seinem Schreibtisch und kämpfte gegen die Müdigkeit. Er wollte nicht schlafen, wenn er schlief, hatte ADAM Gelegenheit, sich etwas weiter voranzu-tasten. Und die Drogen verloren langsam an Wirkung. Er wollte eine Erhöhung der Dosis so lange wie möglich hinauszögern, da dies auch seinem Körper auf Dauer nicht bekommen wäre.
Vielleicht war er zu ungeduldig gewesen, vielleicht hätte er noch warten sollen, ehe er sich ADAM implantieren ließ...
Er bemühte sich, seine Gedanken zu fokussieren, der Punkt, mit dem er sich beschäftigte, war wie er den Rei-Klon und Yuis Sohn trennen konnte, wie er es anstellen konnte, daß Rei-II ei-nen derartigen Schock davontrug, daß er sie wieder unter seine uneingeschränkte Kontrolle be-kam. Ideen hatte er gleich mehrere, allerdings würden die meisten davon den Verlust von Ein-heit-01 samt Piloten zur Folge haben, was Ikari auf emotionelle Ebene sogar begrüßen würde, was das Komitee jedoch nicht hinnehmen würde. Außerdem würde ein Verlust des beseelten EVAs zur Folge haben, daß er möglicherweise Fuyutsuki verlor... auch für diesen Fall hatte er bereits Lösungen erwogen, allerdings würde beides ebenfalls den Ablauf seines Szenarios be-einflussen...


*** NGE ***


Kajis Wagen hielt vor dem Apartmenthaus, in dem Misato wohnte.
Seufzend stieg er aus, ging um den Wagen herum und öffnete die Beifahrertür, fing eine her-ausfallende Misato Katsuragi auf, lud sie sich ächzend auf die Arme und trug sie auf den Ein-gang zu.
Warum mußte Katsuragi-chan nur immer soviel Alkohol trinken...


*** NGE ***


Tokio-3 am frühen Morgen:
Vögel zwitscherten von Dächern und Bäumen, die Straßenbahnen nahmen den Tagesbetrieb auf, Menschen machten sich auf den Weg zur Arbeit...

Und über dem Stadtzentrum schwebte ein großer schwarz-weißer Ball und schien auf die Ver-teidiger der Stadt zu warten...

Für die Verhältnisse der Stadt also ein ganz normaler Tag.


*** NGE ***


Die drei EVAs pirschten sich an den Engel heran, jeder war mit einem Positronengewehr be-waffnet. Sie bewegten sich in Dreiecksformation, EVA-01 an der Spitze, EVA-00 und -02 hin-ter ihm.

Shinji wäre deutlich wohler gewesen, hätte er Asuka nicht in seinem Rücken gewußt.

An ihrem Terminal staunte Ritsuko Akagi nicht schlecht, als sie las, daß EVA-01 sein AT-Feld nach hinten verstärkt hatte.

\"Ich sehe ihn.\" meldete Shinji.

\"Der ist ja auch nicht zu übersehen\", brummte Asuka.
Da hatte sie sich die halbe Nacht für den ersten Schultag fein gemacht - schließlich konnte sie mit wirren Haaren und Schlabberlook kaum Eindruck schinden - und dann tauchte so ein ver-kappter Gummiball am Himmel auf.

\"Verteilen und den Beschuß eröffnen?\" fragte Shinji und blickte auf den kleinen Bildschirm vor sich, welcher Misato zeigte.

\"Noch abwarten. Aber nicht näher heran...\"
Misato blickte zur Seite, wenn Shinji sich an die Konfiguration der Terminals in der Zentrale von seinen ein, zwei Aufenthalten dort richtig erinnerte, mußte sie Doktor Akagi ansehen.

\"Stimmt \'was nicht?\" kam es von Asuka.

\"Wir erhalten Signale, die von dem Engel ausgehen, Signale der Freund-Feind-Erkennung.\"

\"Ach, toll, will uns der Gummiball jetzt erzählen, er käme in Frieden? Oder kapitulieren die En-gel?\"
Asuka lachte, aber es klang nicht gerade belustigt.

Shinji blickte nach oben.
Wenn er noch ein Stück vorrückte und dann etwas nach links, hatte er eine viel bessere Schuß-position, falls Misato den Feuerbefehl gab...
Der EVA setzte sich in Bewegung, folgte seinen Gedankenanweisungen.
Über die Synchronverbindung nahm Shinji bereits einiger Zeit das typische dumpfe Grollen wahr, welches der EVA von sich gab, jetzt kam auch das übliche Hungergefühl dazu. Was hät-te er nur alles dafür gegeben, jetzt in ein Steak beißen zu können, nur halbdurch und noch blu-tig... seit er bei Rei wohnte, hielt er sich da ja sehr zurück, auch wenn sie ab und an erklärte, es mache ihr nichts aus, wenn er Dinge aß, die ihr nicht bekamen. Er bekam immer ein leicht schlechtes Gewissen, wenn er morgens die Milchtüte aus dem Kühlschrank holte, oder wenn er sich ein wenig Fisch in die Bento-Box fürs Mittagessen packte, befürchtete, daß sie es an sei-nem Atem riechen konnte, daß der Geruch bei ihr Übelkeit hervorrief... aber jetzt hätte er wirklich nichts gegen ein schönes saftiges Stück Fleisch gehabt, auch wenn es nur eine Reak-tion auf die vom EVA ausgehenden Impulse war.
Sein taktischer Computer empfing die Signale der Freund-Feind-Kennung ebenfalls, versuchte sie zu identifizieren.
Seltsamerweise stellte sich noch gar nicht das Haßgefühl ein, auch der Blutdurst hielt sich in Grenzen - nicht daß Shinji sich darüber beschwert hätte, er wußte auch, daß er in seiner Wach-samkeit nicht nachlassen durfte, wollte er nicht von den Emotionen des EVAs plötzlich über-wältig werden.

\"Shinji - zurück!\" schrie Misato plötzlich.

\"Was denn?\" fragte er und wollte dem Befehl folgen, als er feststellte, daß die Beine seines EVAs festzustecken schienen. Er blickte nach unten, sah mit Schrecken, daß EVA-01 bereits zu den Knöcheln im grauen Asphalt versunken war, welcher ansonsten keinen flüssigen Ein-druck machte.
Treibsand... so mußte es sein, in Treibsand oder in einem Sumpf zu versinken...
Er spürte einen Zug von unten, der stärker wurde, je mehr er versuchte, sich zu lösen.
Panik stieg in ihm hoch, er ruderte mit den Armen.
\"Helft mir!\" brüllte er aus Leibeskräften und versuchte noch energischer, sich aus der grauen Masse zu lösen. \"Helft mir doch!\"

Rei wollte vorstürmen.
Shinji-kun war in Gefahr!
EVA-01 war inzwischen bis zu den Hüften im Boden versunken, wurde einfach hineingesogen, ohne Wellen zu schlagen, ohne daß irgendetwas verriet, woran es liegen könnte.
Zugleich erwachten die Haßgefühle des EVAs, schien dieser entschieden zu haben, worüber der taktischer Computer noch unentschlossen war, hatte den Engel als Feind erkannt.

\"Rei, bleib, wo du bist! Der Schatten ist der wahre Engel!\" befahl Misato.

Schatten? Welcher Schatten?
Dann sah sie die Linie auf dem Asphalt, hinter welcher dieser um einiges grauer erschien, hinter welcher sich EVA-01 befand.
Der Engel war im Begriff, Shinji-kun zu verschlingen!
Und der Major hatte sie angewiesen, nichts zu unternehmen...
Aber sie mußte Shinji-kun doch helfen...
Aber es war ein Befehl und sie mußte Befehlen folgen...
Aber sie konnte Shinji-kun doch nicht im Stich lassen, mußte ihrem Mitstreiter... ihrem Gelieb-ten... helfen...
Diesen Befehl konnte sie nicht befolgen!
Und ihr EVA schien derselben Ansicht zu sein, jedenfalls hatte sie das Gefühl, als bestärke er ihren Entschluß, als er sich in Bewegung setzte.
Rei rannte los...
...und wurde gestoppt!

EVA-02 stürzte sich auf EVA-00, tackelte diesen wie ein Footballspieler und brachte ihn zu Fall.

\"Loslassen, Soryu!\"

\"Vergiß es, First.\"
Asuka grinste, nagelte EVA-00 mit ihrem EVA am Boden fest.
\"Befehle müssen befolgt werden, wußtest du das nicht?\"

\"Asuka! Rei!\" kam Misatos schreiende Stimme aus den Lautsprechern. \"Hört sofort auf! Werft EVA-01 eure Versorgungskabel zu, vielleicht könnt ihr ihn dann aus diesem... Sumpf heraus-ziehen!\"

EVA-01 war inzwischen bis zur Brust versunken.
Shinji rief immer noch über InterKom um Hilfe. Schließlich verstummte er, sah nur hilflos auf die Monitore der ComPhalanx, streckte die Hand nach Reis Bild aus.
\"Rei-chan...\"
Drei Worte brannten ihm in der Kehle, drei Worte, die er auszusprechen nicht schaffte, weil ihm die Angst die Kehle zuschnürte.
\"Ich...\"

\"Shinji, Notevakuierung!\" befahl Misato. Besser den EVA opfern, als auch noch den Piloten zu verlieren!

In seinem Kommandostand sah Gendo Ikari auf.
\"Befehl widerrufen!\"

\"Was?\" fragte Misato und riß die Augen auf.

Doch Ikari antwortete nicht. Auch wenn der Verlust von EVA-01 schmerzte, das war es doch, worüber er sich den Kopf zerbrochen hatte...

In seinem EntryPlug tätigte Shinji eilig die nötigen Handgriffe, um den Plug zu evakuieren, mußte entsetzt feststellen, daß der Plug nicht reagierte, daß die Kommandos von der Automatik ignoriert wurden.

Sein EVA überschwemmte ihn mit Wut, als wollte er ihm neue Kraft verleihen, fütterte ihn re-gelrecht mit Zorn, schien ihm zuzurufen, sie beide gefälligst aus der Misere zu holen.
Die externe Energieversorgung wurde unterbrochen, der EVA lief nun auf seinen Akkus, wel-che für fünf Minuten ausreichten...
Schon war EVA-01 bis zum Hals versunken.
Shinji spürte Kälte in sich aufsteigen, fühlte bereits seine Beine nicht mehr, hatte den Eindruck, in einem Eisschrank zu sitzen.
Neben dem EVA, der nur noch mit dem Kopf aus dem Schatten ragte, schlug das Ende eines Versorgungskabels auf, federte einmal auf dem falschen Asphalt, versank dann ebenfalls.
Shinji versuchte, danach zu greifen, doch die Kälte hatte bereits seine Arme erreicht, lähmte sie.
EVA-01 raste, mobilisierte die letzten Kräfte.
Shinji glaubte, eine weitere Präsenz im Inneren des EVAs zu spüren, eine strahlende Präsenz, die sich klar von der Dunkelheit abhob.
\"Mutter...?\"
War es so, wenn man starb? War das Licht der Zugang zur nächsten Welt, zum Jenseits?
Wartete seine Mutter dort auf ihn?
Noch einmal blickte er auf die ComPhalanx. Die Bilder waren unscharf und verzerrt, trotzdem konnte er ganz klar den Ausdruck auf Rei-chans Gesicht erkennen... Sorge... Panik... Angst...
Er wollte sie nicht alleinlassen!
\"Rei-chan... ich liebe dich...\" flüsterte er.
Dann brach die Verbindung zusammen und die Kälte griff vollends nach ihm...


*** NGE ***


EVA-01 verschwand im Schatten des Engels, einen Moment lang ragte noch das Horn aus dem Grau, war dann ebenfalls versunken.

\"Nein!\" brüllte Rei. \"Nein!\"

\"... liebe dich...\" kam es fast unhörbar aus dem Lautsprecher.

\"Nein! Shinji!\"

EVA-02 hatte sich aufgerichtet, jagte Positronenladung um Positronenladung in den schwarz-weißen Ball über ihnen, ohne eine Wirkung zu erzielen.

Und dann war der Ball verschwunden und mit ihm der Schatten und alles, was dieser ver-schlungen hatte...

\"Nein!\"
EVA-00 brach zusammen, als die Synchronisation mit seiner Pilotin erlosch.
Kapitel 32 - First Impact

In der Kommandozentrale von NERV herrschte Schweigen.
Nur aus den Lautsprechern kam ein leises Schluchzen, dessen Quelle die Pilotin von EVAN-GELION-Einheit-00 war.

Gendo Ikari lächelte hinter der Barriere seiner gefalteten Hände.
Die Ereignisse hatten eine unerwartete Wendung genommen, doch dafür würde es ihm jetzt leichtfallen, den Klon wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Er mußte nur noch ein wenig warten und ihr dann bei bietender Gelegenheit väterlich die Hand auf die Schulter legen, als wollte er sie über ihren Verlust hinwegtrösten. Und dann...
...würde sie ADAMs Gegenwart spüren...
Ikaris Lächeln erlosch schlagartig, als ihm klarwurde, daß er diesen einen entscheidenden Punkt nicht bedacht hatte!

Kozo Fuyutsuki stützte sich schwer auf die Balustrade.
\"Einfach weg... Die ganzen anderen Engel haben alle keinen Erfolg und dieser...\"

Misato stand neben Ritsukos Konsole.
\"Ritsuko, bitte... was...\"

Akagi selbst hatte den Schock noch nicht verdaut, trotzdem zog sie bereits alle ihr zur Verfü-gung stehenden Register.
\"Wir erhalten immer noch Signale von EVA-01! Zwar nur die Freund-Feind-Erkennung und ein schwaches Signal der Lebensversorgung des EntryPlugs, aber EVA-01 wurde nicht zer-stört!\"

Misato beugte sich vor, las die Angaben selbst.
\"Bist du dir ganz sicher? Shinji lebt?!\"

\"Und die anderen Signale... es ist die Freund-Feind-Erkennung von EVA-04!\"

\"Die Einheit, die mitsamt der US-Zweigstelle verschwunden ist?\"

\"Ja. Ich schätze, dieser Engel hier hat eine recht weite Reise hinter sich.\"

\"Aber - wie ist das möglich?\"

\"Ich habe bereits eine Theorie... der Schatten des Engels stellt eine Art Tor dar. Alles, was er sich einverleibt, landet dann im Inneren der Kugel.\"

\"Im Inneren... - Asuka, Beschuß einstellen! Hörst du? Nicht weiterfeuern!\"

Brummend kam Asuka dem Befehl nach, hörte auf, Positronenladungen in den Himmel zu ja-gen.

Fuyutsuki richtete sich auf.
\"Doktor Akagi, Ihnen ist bewußt, daß das Volumen des Engels, so wie wir ihn wahrnehmen, nicht ausreicht, um zwei EVAs und möglicherweise noch der US-Anlage und Gott-weiß-was Platz zu bieten?!\"

\"Natürlich, Professor. Aber vielleicht haben wir hier einen Beweis für die Existenz einer Di-rac\'schen See.\"

Der Subcommander nickte.

\"Dirac... was?\"

\"Eine Dirac\'sche See, Misato, ist ein extradimensionaler Raum außerhalb unserer Realität... quasi ein Loch ohne Boden. Bisher war das ganze allerdings nur eine Theorie. Wenn ich aller-dings recht haben sollte, dann ist der Engel imstande, sich den Weg in die Geofront Stück für Stück zu öffnen, indem er sich einfach den Weg freifrißt.\"

\"Und wir können gar nichts tun?\"

\"Im Augenblick nicht, aber ich arbeite daran. Solange wir noch Signale von EVA-01 erhalten, ist Shinji nicht verloren.\"

\"Aber wo ist EVA-01? Der Engel ist von unserer Ortung verschwunden!\"

\"Er bewegt sich sehr schnell... im Augenblick befindet er sich fast im Orbit über der Stadt... ich benutze die MAGI zur Kreuzpeilung... hm, vielleicht kann man die Dirac\'sche See knacken, in-dem man sie irgendwie umpolt...\"

\"Du willst den Engel zum Kotzen bringen?\"

\"Wäre doch eine Idee, oder?\"

\"Los, Ritsuko! Shinjis Leben hängt davon ab!\"

\"Ich weiß. Die Lebenserhaltung des Plugs hat nur für sechs Stunden Energie, danach wird das LCL nicht mehr gefiltert und verliert seine Atembarkeit!\"

\"So schnell?\"


*** NGE ***


\"Ich könnte versuchen, Shinji-kun mit einem Seil in die Dirac\'sche See zu folgen.\" schlug Rei leise vor.
Noch immer saß sie im EntryPlug von EVA-00, der immer noch auf dem Boden kniete. Tränen liefen aus ihren Augen, wurden sofort vom LCL fortgewaschen.
Die Worte des Doktors hatten einen kleinen Hoffnungsschimmer erzeugt.

\"Nein, Rei, dem Seil würde es genauso ergehen, wie dem Versorgungskabel - sobald der Engel den Zugang verschließt, würde es gekappt werden.\"

\"Und wenn ich schnell genug...\"

\"Rei...\"
Akagi, die sich mittlerweile in die interne Kommunikation eingeklinkt hatte, schüttelte den Kopf, sah Rei bedauernd an.
\"Wir wissen nichts über die Gegebenheiten im Inneren des Engels, alles was aus einer solchen Aktion resultieren könnte, ist der Verlust einer weiteren Einheit.\"

Rei setzte zum Protest an.
Immerhin wäre sie dann bei Shinji-kun... wie mochte es ihm gerade ergehen, was mochte er fühlen?
Seit er und EVA-01 verschwunden waren, verspürte sie eine quälende Leere in ihrem Herzen, einen Schmerz, welcher ihr das Atmen erschwerte, so als ob ihre Seele entzweigerissen worden wäre.
Sie konnte nur warten, daß der Doktor einen Weg fand... doch Shinji-kun etwas zustoßen, dann würde sie den Engel mit eigenen Händen zerreißen, egal, welche Folgen es haben würde, wenn sie der Dunkelheit im Inneren ihres EVAs nachgab...


*** NGE ***


Shinji war kalt, das LCL im Inneren des Plug hatte nur noch eine Temperatur von knapp 13° Celsius.
Er hatte die Knie angezogen und schlotterte am ganzen Leib, da das Material seiner PlugSuit von der Flüssigkeit getränkt war, hätte er genausogut nackt sein können.
Die Ladung der Akkus war längst aufgebraucht, nur die Energie des Lebenserhaltungssystems sorgte noch dafür, daß das LCL gereinigt und aufbereitet wurde. Vor ihm blinkte ein Count-down, der bei sechs Stunden begonnen hatte und nun bereits zur Hälfte abgelaufen war.
Drei Stunden waren vergangen, seit der Engel ihn verschlungen hatte...
Seit drei Stunden befand er sich in einer Umgebung, welche der taktische Computer als absolut lebensfeindlich klassifiziert hatte, bevor ihm der Saft ausgegangen war und die Systeme des Plugs auf Minimalkonfiguration umgeschaltet hatten, um den Piloten so lange wie möglich am Leben zu erhalten.
Draußen, außerhalb des Plugs, gab es nur eine tintige träge Flüssigkeit, das Medium, in dem EVA-01 schwamm. Es gab kein Oben und kein Unten, gleich nachdem Shinji sich an diesem Ort wiedergefunden hatte, hatte er versucht, sich herumzuwerfen und wieder hinauszugelan-gen, hatte jedoch feststellen müssen, daß sich hinter ihm ebenfalls nur dunkle Flüssigkeit befun-den hatte. Die Computer hatten Daten gesammelt und analysiert, solange sie noch Energie hat-ten, hatten ihm schließlich mitgeteilt, daß er sich in einem Raum mit unendlicher Ausdehnung befand.
Unendlich...
Selbst wenn der EVA noch Energie gehabt hätte, selbst wenn er eine Ewigkeit geradeaus geschwommen wäre... die Grenzen der Unendlichkeit hätte er niemals erreichen können...

Es gab keinen Weg hinaus... keinen Weg zurück...
Er würde Rei-chan niemals wiedersehen...

In der kurzen Zeit, in welcher er über die Synchronverbindung noch durch die Augen des EVAs hatte sehen können, hatte er erkennen können, daß er nicht allein in der dunklen Flüssig-keit war. Um ihn herum trieben Gegenstände... Autos, Straßenlaternen, Pflanzen samt ihrer Er-de, Asphaltstücke... Stahlpfeiler... ganze Gebäude... und Leichen...
Er hatte geschrien, als direkt vor ihm die Leiche eines Mannes in einem Wissenschaftlerkittel vorbeigetrieben war, die Haut bläulich aufgedunsen... es war nicht der einzige Tote gewesen, aber wenigstens war er noch in einem Stück gewesen...
Und er hatte vermeint, am Rande seines Sichtfeldes den zerfetzten Körper eines EVANGE-LIONs zu erkennen...

Jetzt saß er seit einer halben Stunde in der Dunkelheit, nur die Energieanzeige vor ihm gab et-was Licht ab.
Wie lange mochten die Toten schon dort draußen herumschwimmen?
Und hatte er wirklich einen EVA, oder dessen Reste, gesehen?
Welche Schrecken befanden sich vielleicht noch dort draußen, was alles mochte der Engel noch verschlungen haben?
Wenn doch nur Rei-chan bei ihm wäre... nein, das sollte er sich nicht wünschen, denn dann hät-te sie sich in derselben Lage befunden... es war gut, daß Asuka sie aufgehalten hatte...

Da nahm Shinji etwas wahr, eine schwache Präsenz... es war, als würde jemand leise gegen die Pforten seines Verstandes klopfen und um Einlaß bitten... jemand, der die gleiche Angst ver-spürte wie er... nein, nicht jemand, etwas...
Es war EVA-01...
Der EVANGELION baute von sich aus eine Synchronisation zu seinem Piloten auf!
Shinji öffnete sich den Impulsen, selbst die Gegenwart der Bestie, die in EVA-01 lauerte, war besser als die Einsamkeit, die er verspürte. Doch was er verspürte, waren weder Hunger nach Leben, noch der Wunsch zu zerstören, sondern der Wille zu überleben!
Der EVA teilte sich ihm in Bildern mit, benutzte seine eigenen Erinnerungen, um sich ihm ver-ständlich zu machen, schlug ihm einen Weg vor, wie sie vielleicht gemeinsam überleben konn-ten... schlug ihm vor, mit dem EVA eins zu werden...

In rascher Abfolge sah Shinji Gesichter, es dauerte ein wenig, bis er einzelne hinausfiltern konnte. Da war Misato in der knappsten Kleidung, in der er sich erinnern konnte, sie gesehen zu haben. Dann war da Asuka, nicht in ihrer gemeinen teuflischen Version, sondern in der en-gelsgleichen Version, die sie ihm in den ersten Tagen vorgespielt hatte, wie sie sich wie zufällig vorbeugte und ihm einen Blick in ihren Ausschnitt erlaubte. Und dann war da Rei, die plötzlich auf seinen Oberschenkeln zu sitzen schien und ihren Büstenhalter ablegte... sie alle forderten ihn auf, sich mit ihnen zu vereinen... die Bilder wirbelten schneller und schneller durch seinen Geist, der EVA schien seine Reaktion zu analysieren, sortierte bald Asuka aus, dann Misato, bis nur noch Rei-chan übrigblieb... Rei-chan im Waschraum unter der Dusche... Rei-chan, de-ren Gesicht sich langsam dem seinen näherte, um ihn zu küssen... Rei-chan, die ihn umarmte... Rei-chan, die nackt unter ihm lag, eine Erinnerung an jenen Tag, an dem er ihr ihre neue ID-Karte hatte bringen wollen, die sich jetzt jedoch veränderte, denn sie sah ihn nicht emotionslos an, sondern zog ihn plötzlich nach unten, vergrub eine Hand in seinem Haar, küßte ihn... flü-sterte ihm zu, mit ihr eins zu werden...

\"Ja...\" wisperte Shinji.
Wenn so die Ewigkeit aussah...
Dann nahm er ein grelles Licht wahr, welches nur in seinem Geist existierte, die Bilder jedoch gnadenlos fortbrannte, nahm eine weitere Präsenz wahr... eine Präsenz, die ihm nicht unbe-kannt war, die er bereits früher in EVA-01 verspürt hatte... als ob zwei Seelen in dem EVAN-GELION wohnten, einmal die Persönlichkeit der Künstlichen Intelligenz und dann noch etwas anderes...

\"Es gibt noch Hoffnung...\" flüsterte die andere Stimme.

Die Bilder erloschen vollends, stattdessen stellte Shinji fest, daß er sich wieder in Synchronität mit dem EVA befand, daß er wieder durch seine Augen sehen konnte. Einige der Instrumente vor ihm leuchteten auf, zugleich gab die Energieanzeige einen weitaus schnelleren Verbrauch an.

Aus den Lautsprechern kam erst ein Knacken, dann ein Flüstern.
\"Benötige Hilfe... Energie fast aufgebraucht...\"
Eine leise Stimme...

Shinjis Hände verkrampften sich um die Armlehnen seines Sitzes.
Da war noch jemand im Inneren des Engels!
\"Wer... wer ist da?\"

\"Hört mich jemand?\"
Die Stimme klang jung und ängstlich.

\"Ja... wer bist du?\"

\"Kaworu... Kaworu Nagisa... Fifth Children... Pilot von EVA-04... wer?\"

\"Ich... ah... ich bin Shinji... ah... ich bin mit EVA-01 hier...\"

\"Dann sitzt du auch fest? Ich bin schon so lange hier... Tage... Wochen... nur Stille und Käl-te...\"

\"Wo...\"
Da sah Shinji den anderen EVA, einen grauen Riesen mit drei nebeneinanderliegenden Augen, oder besser, was davon noch übrig war. Der EVA hatte keine Beine mehr und nur noch einen Arm, ebenso fehlte ein Teil des Rumpfes.
\"Ich sehe dich!\"

\"Hast du noch... Kontakt zu deiner Einheit?\"

\"Ja, etwas...\"
EVA-01 setzte sich in Bewegung, machte ungeschickte Schwimmbewegungen, ruderte mit den Armen, überwand die Distanz.
\"Ich bin gleich bei dir.\"
Das Gespräch lenkte Shinji von seinen eigenen Problemen ab, mittlerweile war die Notenergie zu zwei Dritteln aufgebraucht, der EVA benötigte viel mehr Energie für ein paar Bewegungen, als die Lebenserhaltung in ein paar Stunden.
Er erreichte den anderen EVA, packte diesen am Oberarm.
\"Bist du in Ordnung?\"

\"Ich bin... unverletzt...\"

\"Wie bist du hierher gekommen?\"

\"Schatten... plötzlich wurde es dunkel... Schreie...\"
Die Verbindung wurde schlechter.
\"Kaum noch... Energie...\"

\"Kaworu... sprich weiter!\" schrie Shinji, der seinen Verstand langsam zu verlieren glaubte, der sich wie verzweifelt an diese leise Stimme klammerte, die aus dem Lautsprecher kam.

\"Kein Ausweg...\"

\"Hör zu... ich habe noch etwas Energie... gib nicht auf! Ich suche nach einem Ausweg!\"

Die Anzeige der Notenergie raste dem Nullwert entgegen, als wollte sie ihn der Lüge bezeich-nen.
Die Umwälzpumpen kamen ins Stocken, arbeiteten langsamer, hielten dann an...

Noch einmal versuchte der EVA ihn dazu zu überreden, sich mit ihm zu vereinen, verstummte dann ebenfalls, übermittelte Shinji ein letztes Bild, das Bild eines Menschen, der von einer Flut-welle erfaßt und gegen eine Betonwand geschleudert wurde... eine Erinnerung der digitalisier-ten Persönlichkeit, welche das Herzstück der Grundprogrammierung bildete...

Und dann wurde es dunkel...

Zugleich glaubte Shinji, daß zahllose Finger nach seinem Geist griffen, daß im Augenblick sei-nes Todes unzählige Hände sich bemühten, die Mauern um seinen Geist niederzureißen.
Und er sah...


*** NGE ***


Ein schier endloses Grün überzog die Landmassen der Erde. Die Kontinente lagen zum Teil anders als in der Gegenwart, Nordeuropa und Südamerika waren von Eis überzogen, wäh-rend die Antarktis nicht nur noch komplett, sondern auch von einem dichten Dschungel über-zogen war.
Und diesem Dschungel existierte Leben, ebenso wie auf der ganzen Welt Leben existierte, so-wohl über wie unter Wasser... intelligentes Leben...
Es waren keine Menschen, keine Abkömmlinge von Primaten, welche durch die Wälder streif-ten, welche aus Holz und Stein Städte errichteten, welche Metalle bearbeiteten, welche mit Booten über das Wasser fuhren oder in der Tiefe Siedlungen aus Korallen errichteten. Es wa-ren große aufrechtgehende Echsenwesen, die im Einklang mit ihrer Umwelt lebten, die nur jagten und töteten, um sich und ihresgleichen zu ernähren.
Ein Volk, welches keinen Krieg kannte...
Ein Volk, dessen Götter auf derselben Erde wandelten...
Die Echsenwesen verehrten ihre Götter in Schreinen und Tempeln, brachten ihnen kleine Opfergabe dar, welche sie selbst gefertigt hatte.
Und die Götter zeigten ihren Dank, indem sie ihrem Volk zur Seite standen...
In den Tiefen des Meeres verjagte GAGHIEL einen Schwarm Haie, der einer der Siedlungen der Unterwasserbewohner zu nahe gekommen war...
Über einer endlosen Savanne erzeugte RAMIEL ein Gewitter, welches einen Steppenbrand in wenigen Minuten löschte...
Bei einem Fest der Echsenwesen erschienen die ISRAFEL-Brüder überraschend und spielten zum Tanze auf...
Im dichtesten Urwald rang ein mächtiger Götter-Krieger einen Raubsaurier ohne Mühe nie-der, welcher ein Dorf bedroht hatte...
Und über allen wachte die Urmutter, aus der alles Leben hervorgegangen war, die ihren älte-ren Sprößlingen den Auftrag gegeben hatte, über ihre jüngeren Abkömmlinge zu wachen.

Die Bewohner des Dschungels, der Städte und der Meere priesen ihren Namen...
Ihr Name war LILITH.

Langsam entwickelte sich die Zivilisation der Echsen weiter, entdeckte das Rad und Methoden zur Verarbeitung von Eisen. Die Welt war groß genug, um ihnen Platz zu bieten, so daß Re-vierstreitigkeiten zwischen einzelnen Stämmen die Ausnahme blieben und schnell und unblutig geregelt wurden. Unter dem wachsamen Auge eines bleichschuppigen Echsenwesens mit roten Augen wurden Konflikte in hitzigen, aber friedlichen Wettkämpfen gelöst.

Doch der Frieden war nicht von Dauer.
In einer Nacht wurde ausgelöscht, was sich in Jahrtausenden entwickelt hatte.
Ein feuriger Stern fiel vom Himmel, machte die Nacht zum Tage, kündigte die Ankunft des Vernichters an, verkündete das Nahen von Armageddon...
Krachend schlug der Stern mitten in den Urwald, vernichtete eine der größten Städte des Ech-senvolkes in der Sekunde seines Einschlages, setzte den Urwald in Brand, schleuderte eine ge-waltige Staubwolke empor, welche auf Jahrhunderte das Licht der Sterne verdunkeln würde, ließ die Erde erzittern.
Und aus den Flammen schritt ADAM, hinterließ feurige Spuren, vernichtete, was sich in sei-nem Weg befand, löschte die Kultur der Echsen aus.
Die Götter eilten herbei, um ihren Schützlingen, ihren jüngeren Halbgeschwistern, zur Seite zu stehen, doch sie wurden hinweggefegt wie Laub im Wind.
Die Meere brodelten, Berge spuckten Feuer aus.
Noch immer bebte die Erde, befand sich alles in Aufruhr.
Landmassen versanken im Ozean, andere tauchten aus der Tiefe auf.
Es war der Untergang der Welt...

Und ADAMs Lachen schallte durch den Äther, wie lange hatte er nach der Zuflucht seines abtrünnigen ersten Weibes und ihrer beider Kinder gesucht, die sich geweigert hatten, sich ihm unterzuordnen...
Der mächtigste der Götter trat ihm gegenüber, die beiden lieferten sich einen erbitterten Kampf, der sich Tage und Nächte hinzog, dabei weitere Zerstörungen anrichtete, die Welt selbst aus den Angeln hob...
Die letzten der Echsenwesen schrien gepeinigt auf, als Feuer vom Himmel fiel und sie aus-löschte...

Schließlich schleuderte ADAM seinen Sohn fort, fügte ihm eine tiefe Wunde an der Brust zu, trat ihn über Berge und Täler, setzte nach, um den ungehorsamen endgültig zu bestrafen, so wie er alle seine abtrünnigen Kinder bestrafen würde, so wie er LILITH bestrafen würde. Daß er alles vernichtet hatte, was sie geschaffen hatten, genügte ihm bei weitem nicht.
Plötzlich sah er sich LILITH gegenüber, erstarrte für einen langen Augenblick.
Sie trat ihm nicht als demütige Büßerin entgegen, wie er es erwartet hatte, nicht als unterwür-figes Weib, sondern in der Gewandung einer Kriegerin. Ihr Haar von der Farbe des klaren Firmaments wehte im Sturmwind, ihr Gesicht verbarg sich hinter einer siebenäugigen Maske. Und in ihren Händen trug sie einen Speer mit doppelter Spitze.
LILITH stieß zu, rammte den Speer tief in ADAMs Leib, nagelte ihn an den Boden.
Dann wandte sie sich ab, ließ ihn zurück wie einen Haufen Abfall, um von ihren Kindern zu retten, welche noch zu retten waren.

Doch ADAM war nicht tot... er war geschlagen worden, er war gebannt worden, doch LILITH hatte ihn noch lange nicht besiegt...
Als die Brände sich gelegt hatten, kam das Eis und überzog die Erde, löschte alle Spuren der alten Kultur aus.
Im Laufe der nächsten Jahrhunderte senkte sich der aufgewirbelte Staub wieder aus der At-mosphäre nieder, erlaubte es den wärmenden Strahlen der Sonne, die Erde wieder zu errei-chen.
Langsam zog sich das Eis zurück, machte neuem Leben Platz.
Langsam breitete sich wieder pflanzliches Grün aus, als würden die Pflanzen aus einem lan-gen Winterschlaf erwachen.
Tiere fanden wieder genug Nahrung, vermehrten sich.
Zwischen den zahllosen Tierarten erschien eine, welche den ausgestorbenen Echsenwesen ent-fernt ähnelte, wie diese hatte sie zwei Arme und Beine und ging aufrecht, zuerst noch gebückt und sich zuweilen noch auf die langen Arme abstützend, dann im Laufe der Jahrtausende mehr und mehr ausschließlich auf den Hinterbeinen, während die Arme kürzer wurden, dafür Greifwerkzeuge ausbildeten.
Aus dumpfen Gegrunze wurden differenzierte Laute, als die Wesen eine Sprache entwickelten, nach langer Zeit erfanden sie die ersten Werkzeuge, beseitigten auch den letzten Zweifel da-ran, daß sie vielleicht nicht die neue vorherrschende Rasse sein würden.
Doch in ihren schlummerte ADAMs Saat, wie sich bald herausstellte.

Kaum hatten die frühen Menschen erste Werkzeuge entwickelt, benutzten sie diese als Waffen, um ihresgleichen zu unterwerfen oder einfach auszulösen. Ganze Seitenlinien der Spezies Mensch erloschen in kurzer Zeit, weil ihre Angehörigen sich nicht rasch genug an den Fort-schritt anpassen konnten, oder weil in ihnen das Erbe LILITHs zu stark war.
Und der Mensch machte sich die Erde untertan.
In seinem Schlaf lachte ADAM. Auch wenn LILITH ihn besiegt hatte, den Krieg würde er ge-winnen, er brauchte nur noch ein passendes Werkzeug, einen dieser Menschen, welcher von genug Machtgier getrieben wurde, um ihn wiederzuerwecken...

Im Zweistromtal lebten Ewigkeiten später zwei Brüder, der eine betrieb Ackerbau, der andere Viehzucht. Beide huldigten dem Eingott ihres Volkes auf ihre Art, der Bauer brachte einen Teil seiner Ernte als Opfer, während der andere mehrere seiner Tiere schlachtete und den Al-tar mit ihrem Blut wusch.
In seinem Gefängnis unter einem Panzer aus Eis, das sich im Laufe der Jahrmillionen gebil-det hatte, regte ADAM sich, nahm unter größtem Einsatz seiner Kräfte Einfluß, ließ als Zei-chen seiner Gunst einen Sternenregen über dem Altar des Viehzüchters niedergehen.
Blut war Leben... und der Viehzüchter war von ihm ausersehen worden, einen neuen Kult zu bilden, welcher ihn letztendlich befreien würde.
Doch der andere, der Bauer, welcher unter Mühen dem kargen Boden die Ernte entrissen hat-te, ließ es nicht geschehen, griff in ADAMs Pläne ein, ohne es zu wissen. Angetrieben von Neid auf seinen Bruder, den der gemeinsame Gott mit seiner Gunst überschüttete, während er ihn ignorierte, stürmte er auf seinen Bruder zu, einen spitzen Stein in den Händen.
So erschlug Kain seinen Bruder Abel, nicht der erste und auch nicht der letzte Brudermord in der Geschichte der Menschheit, doch für ADAM ein deutliches Zeichen, daß die Menschen genug Potenzial besaßen, um einen wichtigen Teil in seiner endgültigen Rache an LILITH und ihrer Brut zu nehmen.
Er mußte nur warten... und er hatte Zeit...


*** NGE ***


\"Er hat alles gesehen, was ich ihm zeigen sollte\", flüsterte Leriels Stimme im Bewußtsein sei-nes Bruders, der glaubte, daß sein Kopf platzen würde, daß der Körper des Lilim, den er sich ausgeborgt hatte, in der Gegenwart seines älteren Bruders einfach vergehen würde.

\"Dann ist es an der Zeit.\"

\"Dein Plan hat viele Unsicherheiten, Tabris.\"

\"Ich weiß.\"

\"Und vielleicht ist er der falsche.\"

\"Shinji Ikari hat gezeigt, daß er mir... daß er dem Lilim namens Kaworu... helfen wollte. Das ist zumindest ein Anfang.\"

\"Ja.\"

\"Unsere Brüder werden sich um die anderen Lilim kümmern, welche diese Kampfmaschinen steuern. Wenn wir jene, die die Waffen bedienen, überzeugen können, uns zu helfen, wird Mut-ter bald frei sein.\"

\"Ich teile deinen Optimismus nicht, das ist eine Angewohnheit der Lilim, Tabris. Verliere dich nicht!\"

\"Ich werde aufpassen, großer Bruder.\"

\"Gut. Dann ist es wohl an der Zeit, diese Ebene zu verlassen.\"

\"Ja, Leriel.\"

\"Werden meine Schmerzen groß sein?\"

\"Ich weiß es nicht.\"

\"Ich wünsche dir Erfolg.\"

\"Wir werden uns wiedersehen.\"

\"Natürlich.\"


*** NGE ***


Vor EVA-01 entstand eine leuchtende Kugel. Sie pulsierte leicht.

Das Herz des Engels...
Shinji hatte Mühe, den Gedankengang zu Ende zu führen, eigentlich wollte er nur schlafen.
Die Kälte und der Sauerstoffmangel machten ihn ganz schläfrig.

Fast erloschen war auch das Bewußtsein des EVAs, wurde nur von einem dumpfen Hunger existend erhalten. Leise flüsterte es Shinji zu, seine Kräfte mit ihm zu vereinen, gemeinsam den Kern des Engels zu zerreißen...

Shinji reagierte nicht.
Sein unter Sauerstoffentzug leidendes Hirn gaukelte ihm Trugbilder vor, er befand sich wieder bei Rei-chan, lag in ihren Armen, nahm den Geruch ihres Haars wahr, spürte ihre seidige Haut unter seinen Händen, hörte sie leise Worte in sein Ohr flüstern, die er nicht verstand...
Langsam driftete er weg.

Über die Oberfläche der pulsierenden Kugel zuckten plötzlich Blitze, kleine und große, wan-derten fort und erloschen. Und dann schoß ein kräftiger Überschlagblitz vor, schlug in die Brust von EVA-01.

Mit einem Schlag sprangen die Umwälzpumpen wieder an, aktivierten sich alle Instrumente und Geräte im EntryPlug, wurde die Synchronverbindung voll hochgefahren, als die Akkus sich mit Energie vollsogen!
EVA-01 brüllte auf!
Der Blutdurst erwachte mit voller Kraft, riß Shinji mit sich, der keine Kraft mehr hatte, Wider-stand zu leisten.
Wuchtig schlug die Faust des EVAs mitten in das Herz des Engels, riß es auseinander.
Dahinter entstand ein Loch, ein gewaltiger Riß mitten im Nichts, von dem ein starker Sog aus-ging.
EVA-01 fetzte das Herz des Engels weiter auseinander, bemerkte gar nicht, daß es längst erlo-schen war, daß Leriels Präsenz nur noch ein Schatten war, da der Engel selbst sich inzwischen mit fast seiner ganzen Essenz in seine eigene Sphäre zurückgezogen hatte. Und zugleich erwei-terte der EVANGELION den Riß, zerrte dann EVA-04 mit sich, fetzte die Öffnung weit genug auseinander, daß er hindurchpaßte, stieß wieder ein lautes Brüllen aus...


*** NGE ***


\"Ich habe ihn! Sektor T-7!\" rief Ritsuko, unterbrach das betretene Schweigen, welches sich erneut in der Zentrale breitgemacht hatte, nachdem sie verkündet hatte, daß die Lebenserhal-tung von EVA-01 ausgefallen war.

\"Auf den Schirm!\" befahl Fuyutsuki, überging dabei ohne nachzudenken Gendo Ikari, der dumpf brütend hinter seinem Tisch im Kommandostand saß und über die gefalteten Hände hin-wegstarrte.

Der ganze Monitor zeigte eine ganze Reihe von Dingen:
Sektor T-7 lag am Stadtrand, bezeichnete eine Gegend, in welcher nur Lagerhäuser standen.
Über den Lagerhallen schwebte der schwarz-weiße Ball des Zieles: Leriel.

EVA-00 war im gleichen Augenblick losgerannt, als Doktor Akagi das Ergebnis der Ortung mitgeteilt hatte. In Rei regte sich keine Emotion - seitdem Akagi erklärt hatte, daß Shinji-kuns Lebenserhaltung ausgefallen war, fühlte sie sich innerlich nicht nur leer, sondern beinahe schon tot.
Der Engel würde dafür bezahlen, was er getan hatte...

EVA-02 war EVA-00 dicht auf den Fersen, doch Reis Vorsprung wuchs, da Asuka unterwegs zweimal die Versorgungskabel auswechselte, während EVA-00 auf seinen Akkus lief.

Die schwarz-weiße Kugel platzte auf!
Die Oberfläche riß wie unter starkem Druck auf, gleich darauf erschien ein Paar Hände, die den Riß erweiterten.
Dunkle brodelnde Flüssigkeit ergoß sich auf die Häuser und Straßen, Gegenstände wurden aus dem Inneren des Engels hinausgespült, klatschten auf den Boden, wurden weitergespült von den nachfolgenden Flüssigkeitsmassen.

EVA-01 brüllte auf, machte allen klar, daß er gesiegt hatte!
Dann sprang er aus der Öffnung, zerrte dabei die Reste von EVA-04 mit sich, schleppte sich und den halbzerstörten EVA noch weiter, fort aus der unmittelbaren Zone, in welcher das In-nere des Engels niederging.

Der Strom ließ nach, nur noch tröpfchenweise quoll Flüssigkeit aus dem Riß.
Etwas schien ihn zu verstopfen!
Teilweise war die Unterseite eines Gebäude zu sehen.

EVA-02 eröffnete das Feuer, nahm den Engel unter Beschuß.
Jeder Schuß war ein Treffer, wurde von keinem AT-Feld aufgehalten, schlug ungehindert in den Ball ein.
Leriel explodierte, überschüttete die ganze Stadt mit Trümmern und seinem Blut...

Rei rannte EVA-01 entgegen.
\"Shinji! Shinji-kun, hörst du mich?!\"

EVA-01 hob den Kopf, sah sie mit dämonisch-glühenden Augen an, schien sein Gesicht zu ei-nem Grinsen zu verziehen.

Ihr wurde klar, daß es nicht Shinji-kun war, der den EVA kontrollierte...

Der Glühen erlosch.
Der EVA knickte ein, stürzte nach vorn.


*** NGE ***


\"Keine Schäden an EVA-01. Lebenszeichen des Piloten stabil! EVA-04 jenseits der Hayflick-Grenze. Lebenszeichen des Piloten schwach!\" meldete Ritsuko Akagi mit mühsam aufrechter-haltener äußerer Ruhe, während um sie herum die Zentrale sich in einen Bienenstock verwan-delte.

\"Überschwemmungen im Südteil der Stadt. Die Kanalisation wird mit diesen Mengen nicht fer-tig! Alle Teams sind unterwegs, um die Schäden zu beseitigen und einer biologischen Kontami-nation vorzubeugen!\" vermeldete Shigeru Aoba.

\"Besteht Kontakt zu den EntryPlugs?\" fragte Fuyutsuki.

\"Negativ, Sir. Weder Shinji noch EVA-04 antworten.\"

Misato eilte hinaus, traf auf dem Flur Kaji, der ebenfalls in Richtung der Garage unterwegs war.


*** NGE ***


Rei leitete bei EVA-04 die manuelle Evakuierung des Plugs ein, indem sie den Verschluß im Nacken des zerstörten EVAs öffnete und mit den Händen von EVA-00 den Plug herauszog, genauso wie sie es bereits bei EVA-01 getan hatte. Sie legte den geborgenen Plug neben Shin-ji-kuns, während sie die ganze Zeit über versuchte, Kontakt zu Shinji aufzunehmen. Doch die-ser schwieg.

Die Aufräumteams waren inzwischen ebenso eingetroffen wie Sanitäter, Ärzte und Techniker.
Die beiden Piloten wurden aus den Plugs geborgen.
Rei hatte nur Augen für Shinji-kun, ignorierte den anderen Piloten völlig.
Jemand hob Shinji-kun gerade aus dem Plug, reichte ihn an einen Sanitäter weiter, der draußen stand und ihn auf eine Liege verfrachtete.
Rei zoomte heran auf sein Gesicht.
Wie blaß er war...
Shinji-kun hatte die Augen geschlossen... hoffentlich schlief er nur vor Erschöpfung... hoffent-lich wachte er gleich auf...
Die Energie ihres EVAs war zu Ende. Im letzten Moment evakuierte sie ihren EntryPlug und verließ EVA-00.

Der Krankenwagen mit Shinji wollte gerade abfahren, als Rei herangelaufen kam, ihre PlugSuit und ihre Haut waren von einem LCL-Film bedeckt und sie hinterließ feuchte Fußabdrücke.
\"Nehmen Sie mich mit!\"

Wortlos öffnete der Sanitäter noch einmal die Ladetür, ließ sie hineinklettern.

Shinji-kun lag ausgestreckt auf der Liege, eine Sauerstoffmaske über dem unteren Teil seines Gesichts, hatte die Augen immer noch geschlossen.
Rei verspürte Angst, doch zugleich nahm sie seine Gegenwart wahr, welche die Leere in ihrem Herzen füllte.
\"Was ist mit ihm?\" fragte sie den Arzt, der neben ihm hockte, während der Wagen sich in Be-wegung setzte.

\"Unterkühlung und Anzeichen für Sauerstoffmangel.\"

\"Shinji-kun...\" flüsterte sie.

\"Wir bringen die beiden gleich ins städtische Krankenhaus, die Fahrt in die Geofront dauert viel zu lange.\"

\"Ja.\"


*** NGE ***


EVA-02 stand inmitten des Geschehens wie ein stummer Wächter, zu dessen Füßen ein Amei-senstaat den Tagesgeschäften nachging.
Die Straßen waren überschwemmt von einer dunkelblauen Brühe, überall lagen irgendwelche Trümmerstücke - auf dem Dach einer Lagerhalle stand ein von blauem Schleim überzogenes Auto - dazwischen die eine oder andere Leiche. Letztere wurden inzwischen von Männer und Frauen in hermetisch abgeschlossenen Schutzanzügen geborgen und in Leichensäcke verfrach-tet.
Der dunklen Brühe Herr zu werden, versuchten sie gar nicht erst, sämtliche Tankwagen der Stadt waren nicht imstande, diese Mengen abzupumpen. Allerdings wurden Proben genommen und eiligst an die Labore in der Geofront weitergeleitet, um den Stoff auf seine mögliche Ge-fährlichkeit hin zu analysieren.

Asuka saß mit vor der Brust verschränkten Armen in ihrem Pilotensitz.
War ja klar gewesen, daß Ikari sich die ganze Show sicherte... vielleicht hatte er sich sogar ab-sichtlich verschlingen lassen, um den Engel von Innen heraus auseinanderzunehmen, so hatte sie selbst es ja auch mit dem Riesenfisch gemacht...
Und Wondergirl war jetzt auch weg... Shinji-kun, Shinji-kun... dieses Süßholzgeraspel machte Asuka ganz krank, das war doch ohnehin alles nur Lüge...
Wenn Ikari nicht zurückgekommen wäre, dann wäre sie wieder die Nummer Eins gewesen, sie, Asuka Soryu Langley...


*** NGE ***


Misato und Kaji stürmten durch den Eingangsbereich des Krankenhauses, ließen sich den Weg zu den Behandlungsräumen zeigen, stießen vor diesen auf die wartende Rei Ayanami.

\"Rei, wie ist die Lage?\" rief Misato schon von weitem.

\"Die Ärzte sind sich sicher, Shinji-kun wieder auf die Beine zu bekommen, Major\", gab sie die letzte Stellungnahme eines Mediziners wieder.

Noch jemand betrat den Gang - Toji Suzuhara.
\"Hey! Dann war das eben wirklich Ikari, den sie \'reingebracht haben!\"
Als er Rei sah, unterdrückte er den Drang, laut zu pfeifen, schließlich sah er sie erstmalig in ih-rer PlugSuit.

\"Was machst du denn hier?\" fragte Misato.

\"Ah, Misato-san... ich habe meine Schwester besucht, wegen des Engelangriffes ist die Schule ausgefallen...\"

Er trat an die Schwingtüren des Behandlungsraumes.
\"Ist es Ikari?\"

\"Ja, Suzuhara-kun.\" erklärte Rei leise.

\"Oh, Mann... aber ihr habt doch gewonnen, oder?\"

\"Ja.\"

\"Ikari kommt schon durch, der ist zäher als er aussieht.\"

Die Tür des anderen Behandlungsraumes wurde geöffnet und ein Arzt im weißen Kittel trat auf den Flur, kurz konnten sie den mageren blaßhäutigen mit dem grauen Haar sehen, der auf dem Behandlungstisch lag und medizinisch versorgt wurde.

\"Doktor, können Sie uns näheres sagen?\" fragte Kaji.

\"Sind Sie die Eltern?\"

Einen Moment lang sahen Misato und Kaji sich entgeistert an.
Dann präsentierte Kaji seinen NERV-Ausweis.
\"NERV, die beiden gehören zu uns.\"

\"Verstehe. Also...äh... beide sind stabil und unverletzt, zeigen aber Spuren von Unterkühlung und Sauerstoffmangel, der Albinojunge ist zudem stark geschwächt. Aber der andere dürfte in Bälde wieder aufwachen.\"

\"Shinji-kun...\" unterbrach Rei den Mann.

\"Wir bringen ihn gleich auf ein Zimmer. Mit ihm hier\", der Arzt deutete über seine Schulter, \"werden wir noch ein wenig zu tun haben, aber keine Sorge, sie sind beide schon längst außer Gefahr.\"

\"Sehr gut\", bestätigte Kaji und klopfte Misato leicht auf den Oberarm. \"Wir warten hier.\"

Kurz darauf wurde Shinji aus dem Behandlungsraum gebracht.
Er schlief immer noch, seine Gesicht war aber nicht mehr so blaß, wies schon wieder einen leichten rosigen Schimmer auf.

Rei spürte, wie ihr bei dem Anblick die Tränen in die Augen stiegen, erinnerte sich an die Un-terhaltung, die sie mit Shinji-kun nach dem Sieg über Ramiel geführt hatte, daß man auch vor Freude weinen konnte.

\"Ich sagte doch, daß er zäh ist\", murmelte Toji. \"Der wird schon wieder.\"

\"Danke für deinen Zuspruch, Suzuhara-kun.\"

\"Wozu sind Freunde denn da? Ich werde mal wieder zu meiner Schwester gehen, es hat sich nämlich wie ein Lauffeuer im ganzen Haus verbreitet, daß zwei EVA-Piloten eingeliefert wor-den seien, da hatte sie richtig Sorge. Hm, wer ist eigentlich der andere?\"

\"Das ist...\" setzte Rei an.
\'Geheim\', hatte sie sagen wollen.

Doch Misato kam ihr zuvor.
\"Ein weiterer Testpilot, der bei dem Einsatz verletzt wurde.\"

\"Ach so... könnte glatt ein Verwandter von dir sein, Ayanami.\"

Rei verzichtete darauf, ihn zu korrigieren und auf die Unmöglichkeit seiner Aussage hinzuwei-sen, nickte ihm stattdessen zu und eilte Shinji hinterher, der gerade fortgebracht wurde.

Misato verständigte sich mit Kaji dahingehend, daß dieser auf den anderen Piloten warten wür-de, und folgte Rei dann.


*** NGE ***


Misato und Rei saßen bereits seit über einer Stunde neben Shinjis Bett und warteten darauf, daß er zu sich kam. In der Zwischenzeit war Misato mehrmals zum Telephonieren auf den Flur gegangen, hatte Ritsuko angerufen und sich vergewissert, daß die Aufräumarbeiten vorangin-gen, sowie das keine Gefahr einer Kontamination der ganzen Stadt durch das Blut des Engels bestand. Ferner hatte sie mit Kaji gesprochen, der im Nachbarzimmer über Kaworu Nagisa wachte, welcher im Gegensatz zu Shinji an verschiedene Apparate angeschlossen war und in-travenös mit Aufbaupräparaten versorgt wurde.

Schließlich wachte Shinji auf, rollte sich sofort zu einem Ball zusammen.
\"K-kalt.\" preßte er durch die Zähne, nahm dann erst seine Umgebung wahr, entspannte sich ein wenig.

\"Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt\", seufzte Misato und drehte die Heizung des Zimmers voll auf.

\"Ich... ich lebe noch...\" flüsterte Shinji erstaunt.
War seine letzte Erinnerung nicht gewesen, daß Kälte und Dunkelheit nach ihm griffen?

\"Shinji-kun...\"
Rei setzte sich auf die Bettkante, nahm seine linke Hand in die ihren und blies ihren warmen Atem darüber.
\"Ich hatte Angst um dich.\"

Shinji wollte sich aufsetzen, wurde aber von Misato zurückgehalten.
\"Liegenbleiben - Anweisung des Arztes. Du bist unterkühlt, erschöpft und brauchst Ruhe.\"

\"Uh... ahm... zu Befehl.\"

Misato grinste.
\"Na sowas, jetzt kriege ich ja doch noch den braven Soldaten Shinji in meine Truppe.\"

\"Misato!\"

Sie lachte.
\"Okay, Shinji, kannst du dich erinnern, was passiert ist?\"

\"Ähm... der Engel... ich bin plötzlich in seinem Schatten versunken... und dann war ich in ihm, in seinem Inneren... und da war noch mehr... Autos und Gebäude... und Leichen...\"
Er fröstelte bei der Erinnerung.

Rei blickte ihn besorgt an.

\"Und... ahm... da war noch ein EVANGELION... ich habe mit dem Piloten gesprochen... uh... wo ist er?\"

\"Du hast mit ihm gesprochen?\"

\"Ja, Misato. Kaworu... Kaworu Nagisa, das Fifth Children.\"

\"Er ist im Nebenraum und schläft noch. Ich würde sagen, er verdankt dir sein Leben.\"

\"Also ist er in Ordnung?\"

\"Sagen wir mal so, ihm geht es nicht gerade hervorragend, aber laut den Ärzten gibt es keine Probleme. Er war halt um einiges länger im Inneren des Engels als du.\"

\"Es war so kalt... und dann ging die Energie zur Neige... ich habe auf die Energie der Lebens-erhaltung zurückgegriffen, um EVA-01 in die Nähe der anderen Einheit bringen zu können... Konntet ihr den Engel vernichten?\"

\"Das hast du doch selbst getan.\"

\"Ich? Ich erinnere mich an nichts... ich meine, eigentlich müßte ich tot sein...\"

\"Sag das nicht, sag das bitte nicht.\" kam es von Rei, die immer noch seine Hand hielt.

\"Anscheinend hast du das Herz des Engels gefunden und ihn vernichtet.\"

\"Misato, ich weiß nichts davon.\"

\"Na, sicher kommt die Erinnerung wieder, wenn du ein wenig ausgeruhter bist. - Ach, ich schätze, ich muß mal kurz weg, sollte mich als Einsatzleiterin vielleicht mal vor Ort sehen las-sen, laut Ritsuko steht Asuka immer noch dort \'rum wie bestellt und nicht abgeholt.\"
Wieder grinste Misato.
\"Anscheinend hat niemand ihr gesagt, daß sie ins Hauptquartier zurückkehren soll.\"

\"Ich bleibe hier bei Shinji-kun, Major.\"

\"Ist in Ordnung, Rei. Soll ich vielleicht noch bei euch vorbeifahren und dir ein paar Sachen mit-bringen?\"

\"Das würde ich begrüßen.\" erklärte Rei, welche immer noch ihre PlugSuit trug.

\"Okay. Und falls es irgendetwas wichtiges geben sollte, ist Kaji auch noch im Gebäude.\"

\"Ja.\"

Misato lächelte ihn zu, winkte noch einmal und verließ dann den Raum.

Rei sah Shinji eine Weile schweigend an, stand dann auf und schloß die Tür ab.

\"Rei-chan... uhm, was...\"

Sie betätigte den Kontakt am Handgelenk ihrer PlugSuit, legte diese dann ab, stand völlig nackt im Raum, ging langsam auf das Bett zu und hob die Decke an.

\"Rei-chan, was hast du vor... uh...\"

\"Ich werde dafür sorgen, daß dir nicht mehr kalt ist, Shinji-kun.\"
Sie schlüpfte unter die Decke, rutschte an ihn heran.

Shinji wurde ein bedeutendes Detail bewußt.
\"Rei, ich habe selbst nichts an, das... äh... also... uh...\"

Sie unterbrach ihn, indem sie ihn mit geöffnetem Mund küßte. Ihre Zunge glitt in seinen Mund, suchte die seine, fand sie, umspielte sie, berührte sie, zugleich strichen ihre Hände über seinen Körper, rutschte sie über ihn...
11. Zwischenspiel:

Ritsuko Akagi starrte durch das Elektronenmikroskop auf die Probe des Engelsblutes, welche ihr gerade gebracht worden war. Die Zellen waren am Absterben... Gut, von dieser Seite be-stand keine Gefahr für die Stadt, ein besiegter Engel mehr. Laut dem Systema Sephiroth wa-ren es nicht mehr viele, nur noch fünf...
Shinji lebte und EVA-01 wies keine äußeren Schäden auf, was nicht jedoch hieß, daß sie es sich leisten konnte, keine Extraschicht einzulegen und die Systeme des EVAs zu überprüfen. Aber es lenkte sie ab, alles war besser, als tatenlos herumzusitzen und die Bilder vom Tod ihrer Mutter erneut Revue passieren zu lassen. Und Gendo hatte sie seit seiner Rückkehr auch nicht mehr zu sich zitiert, damit sie ihm zu Diensten war... sie wußte nicht, ob sie noch imstande war, ihn auch nur mit dem kleinen Finger zu berühren, ohne sich zu übergeben.

An der Tür ihres Büros klopfte es.
\"Doktor Akagi?\"

Die Stimme gehörte Shigeru Aoba...

\"Ja? Kommen Sie \'rein.\"

Aoba betrat das Büro, einen Stapel Akten im Arm.
\"Der... der Kommandant schickt Ihnen dies.\"
Er legte den Aktenstapel auf eine freie Fläche des Tisches.

\"Hm, ja...\"
Ritsuko musterte die Akten.
Personalakten... Akten der Mitglieder der Testgruppe... und ganz oben ein Zettel in Gendos Handschrift: Ritsuko, wähle den Vierten aus.
Kapitel 33 - Fourth Children

Mit leisem Zischen wurde die Luft aus der PlugSuit gepreßt, legte sich das Material eng auf die Haut, als Rei den Kontakt am Handgelenk drückte. Kurz fuhr sie sich durch ihr Haar, trat dann an die Tür des Krankenzimmers, schloß sie wieder auf.
Ihr Gesicht war wieder völlig ausdruckslos, nur in ihren Augen lag ein leichtes Funkeln.
\"Major Katsuragi dürfte bald zurückkommen.\"

Shinji gab eine schwache Bestätigung von sich.
Er fühlte sich jetzt noch erschöpfter und ausgelaugter als zuvor, dafür war ihm aber wirklich nicht mehr kalt. Wie zahllose Phantome glaubte er immer noch spüren zu können, wo ihre Lip-pen seine Haut berührt hatten, auf der Brust, dem Hals, im Gesicht... nur seine Wangen hatte sie seltsamerweise außenvor gelassen... vermeinte immer noch, die sanften Berührungen ihrer Hände zu spüren, glaubte immer noch ihr gedämpftes Stöhnen zu hören, als er an ihrem Ohr-läppchen geknabbert hatte... dennoch waren sie nicht weitergegangen, hatte es eine Grenze ge-geben, die keiner von ihnen hatte überschreiten wollen, die Grenze hinter welcher in gewisser Weise ihre Kindheit unwiderbringlich beendet sein würde...
Shinji hoffte jetzt nur, daß er das Krankenhaus verlassen haben würde, ehe jemandem der feuchte klebrige Fleck im Laken auffiel...
Seine Haut juckte, natürlich, das LCL war bereits eingetrocknet und hatte Krusten auf der Haut gebildet.
\"Ah... ich glaube, das erste, was ich brauche, wenn wir wieder zuhause sind, ist eine Dusche... ahm...\"
Er verschluckte sich. Hoffentlich verstand sie das jetzt nicht falsch, glaubte nicht, daß er sie ir-gendwie von sich abwaschen wollte...

\"Wir brauchen eine Dusche.\" korrigierte sie ihn. Für einen Augenblick huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. \"Wenn du mir den Rücken wäschst, wasche ich dir deinen.\"

\"Ahm...\"
Shinji blinzelte.
\"Rei-chan... ich hatte Furcht, dich nie wieder zu sehen...\"

\"Du warst plötzlich fort. Ich habe es... hier... gespürt.\"
Sie legte die Hand auf ihre Brust über dem Herzen.

\"Ja... uh... eine... Leere...\"

Rei setzte sich wieder auf die Bettkante und nahm seine Hand.

Shinji konnte gar nicht anders als zu lächeln. Ihr Nähe gab ihm Kraft, schien sogar den anson-sten zäh dahintropfenden Strom der Zeit zu beschleunigen, den er zuweilen wahrzunehmen glaubte.
\"Im Inneren des Engels... Rei, EVA-01 hat von selbst zu mir Kontakt aufgenommen.\"

\"Von selbst, Shinji-kun?\"

\"Ja, obwohl die Akkus leer waren, befanden wir uns in Synchronisation. Rei-chan, der EVA hatte Angst... er... uhm... er wollte nicht sterben.\"

\"Die Grundprogrammierung basiert laut Doktor Akagi auf den Erinnerungen und der Persön-lichkeit eines Menschen. Vielleicht...\"

\"Und ich hatte den Eindruck, daß da noch jemand war... Rei-chan, sicher wirst du mich für verrückt halten...\"

\"Warum sollte ich das?\" fragte sie und strich über seine Stirn. Seine Haut war warm, aber nicht heiß.

\"Ah... ich... ich glaube, ich habe die Präsenz meiner... ahm... Mutter gespürt...\"

Rei erstarrte.
Sollte dies das Geheimnis von EVA-01 sein? Der Doktor hatte die Einheit einmal als beseelt bezeichnet... sollte sich wirklich die Seele von Yui Ikari, nach deren Vorbild sie erschaffen worden war, in Einheit-01 befinden?
\"Shinji-kun, es gibt da etwas, daß ich dir nicht erzählt habe.\"

\"Was, Rei-chan?\"

\"Als wir gegen den Zwillingsengel gekämpft haben, als ich in EVA-02 saß... da hatte ich auch so einen Eindruck. Die Grundprogrammierung ist dieselbe, aber da war noch jemand.\"

\"Wer?\"

\"Ich glaube, daß es sich um Doktor Soryu gehandelt hat.\"

\"Doktor Soryu?\"

\"Soryus Mutter.\"

\"Ihre...\"

\"Ja, Shinji-kun. Auch Soryu ist Halbwaise.\"

\"Uh, das... und was ist mit EVA-00? Könnte sich dort deine Mutter...\"

\"Nein. Ich weiß, wo meine Mutter ist.\"

\"Dann... dann ist es trotzdem möglich... Rei, meine Mutter ist beim ersten Testlauf von EVA-01 gestorben...\"

\"Ich weiß.\"

\"Du weißt es?\"

\"Ja. Ich ging davon aus, daß die Fakten dir ebenfalls bekannt sind.\"

\"Hm... ja... ich wollte mich nur nicht erinnern... ich war dabei...\"

Rei spürte, wie sich ihr Herz zusammenzuschnüren schien, als sie den leidenden Gesichtsaus-druck auf Shinji-kuns Zügen sah.

\"Sie ist im EntryPlug von EVA-01 gestorben... und etwas scheint zurückgeblieben zu sein... so wie wir etwas zurücklassen, Erinnerungen, Gefühle... ah, du weißt doch sicher... die Kreuz-tests...\"

\"Ja, Shinji-ku...\"
Rei blinzelte.
Shinji-kun... die Anrede für einen Freund... doch Shinji war inzwischen viel mehr...
\"Ja, Shin-chan.\"

\"Shin-chan? So hat mich schon lange niemand mehr genannt...\"

\"Dann erlaube mir, die einzige zu sein, die dich so nennen darf.\"

An der Tür klopfte es zweimal recht heftig, dann wurde sie aufgestoßen und Misato kam hin-ein.
\"Tut mir leid, daß es länger gedauert hat, mußte erst noch Leutnant Ishiren finden, damit mich jemand bei euch in die Wohnung läßt... die gute Frau und ihre Leute scheinen sich gerne zu verstecken... Training meint sie, damit ihr sie nicht gleich entdeckt... So, hier sind Sachen zum Umziehen, ich nehme eure PlugSuits gleich mit, wenn ich in die Geofront zurückfahre...\"
Sie legte einen Armvoll Kleidung auf das Bettende.

In der Tür erschien Asuka, die immer noch ihre rote PlugSuit trug.
\"Wenn ich gewußt hätte, daß du noch eine Weltreise vorhattest, wäre ich nicht mit dir gefah-ren, Misato!\"

Misato verdrehte die Augen.
Wie oft wollte Asuka ihr das denn noch vorhalten?
\"Ja, ja, ja...\"

\"Eh, Wondergirl, ihr haust ja in einer ganz schönen Bruchbude!\"

Rei sah sie an, runzelte ein wenig die Stirn als Zeichen ihres Mißfallens.
Sollte Ishiren-san in ihrer Abwesenheit ihre Wohnung betreten, sah sie kein Problem darin, auch nicht, wenn der Major etwas holte, so wie heute - aber Soryu wollte sie nicht in ihren vier Wänden haben. Sollte sich herausstellen, daß die Rothaarige in ihrer Wohnung gewesen war, würde sie den Rest des Tages mit Putzen verbringen...
\"Vielen Dank, Misato-san für Ihre Mühen.\"

\"Kein Problem, Asuka wollte unten bleiben, da konnte ich schnell machen.\"

\"Was soll das denn jetzt wieder heißen?\"
Asuka stemmte die Fäuste in die Hüften.

\"Uhm, wie geht es denn Kaworu?\" fragte Shinji, um das Gespräch auf ein anderes Thema zu bringen, bemerkte, daß er sich bei Asukas Auftauchen instinktiv die Bettdecke bis zum Hals hochgezogen hatte.

\"Schläft noch. Ihn scheint es ganz schön erwischt zu haben.\"

\"Ja, er... ah... sein EVA hatte keine Energie mehr...\"

\"Hm, wirklich seltsam, er war Wochen da drin - ich sag das ungern, aber eigentlich hätte er gar nicht mehr am Leben sein dürfen.\"

\"Uh...\"

\"Andererseits war EVA-04 mit einer neuartigen Energiequelle ausgestattet... keine Ahnung, soll Ritsuko sich doch damit herumschlagen, die hat schließlich den Doktortitel.\"

\"Seid ihr jetzt fertig? Ich will nach Hause.\" sagte Asuka.

Misato seufzte, deutete auf die mitgebrachten Sachen.
\"Tja, am besten kommst du mit auf den Flur, Rei, damit Shinji sich anziehen kann.\"

\"Vielleicht braucht er Hilfe.\"

\"Ja, ganz sicher braucht Shinji-Baby Hilfe beim Anziehen\", lachte Asuka hämisch.

\"Ah, geh nur, Rei, ich... ahm... ich bin gleich fertig.\"

\"Und ich hatte schon Angst, du wolltest dich uns präsentieren, wie Gott dich schuf, Shinji\", sagte Asuka mit Ekel in der Stimme.

\"Das reicht jetzt\", knurrte Misato und schob Asuka nach draußen.

Rei folgte ihnen auf den Gang.

Während Shinji sich drinnen anzog, kam draußen Toji dazu.
\"Ist alles in Ordnung bei euch?\"

\"Argh, Suzuhara!\"
Asuka verschränkte die Arme vor der Brust.


\"Keine Sorge, ich guck dir nichts weg, meine Freundin hat einiges mehr zu bieten\", brummte Toji und ging an ihr vorbei, ohne sie weiter zu beachten. \"Ayanami?\"

\"Shinji-kun ist in Ordnung.\"

\"Ah, sehr gut, das wird Mari freuen.\"

Asuka murmelte etwas von \'Shinjis Harem\'.

\"Sie ist meine kleine Schwester!\" fauchte Toji. \"Ikari hat sich zufällig die Mühe gemacht, sie hier zu besuchen.\" Sein wütendes Grollen begleitete seine Worte.

\"Ist mir doch egal.\"

\"Ja, ich weiß\", murmelte Misato bitter.

Toji schüttelte nur den Kopf.
\"Und der andere Pilot, Ayanami?\"

\"Unverändert, Suzuhara-kun. Richte deiner Schwester bitte von mir und Shinji-kun Grüße aus.\"

\"Ja, klar.\"

\"Von mir auch.\" erklärte Misato.

\"Egal worum es geht, von mir kannst du auch grüßen!\" grinste Kaji, der gerade aus Kaworus Zimmer kam.

\"Kaji!\" rief Asuka. \"Nimmst du mich mit zurück in die Geofront?\"

\"Bedaure, ich passe hier noch ein wenig auf, bis eine Ablösung kommt.\"

\"Wie sieht der Neue überhaupt aus?\"
Asuka quetschte sich an dem überraschten Kaji vor.
\"Iiiie! Der sieht ja aus wie Wondergirl! Noch so ein Bleichgesicht!\"
Schnell kehrte sie auf den Flur zurück.

Shinji kam aus seinem Zimmer, hielt Rei die Tür geöffnet, so daß sie nun darin verschwinden konnte, um sich umzuziehen.

\"Na, Ikari, jetzt siehst du schon etwas fitter aus.\"

Shinji grinste müde. Wenn Toji wüßte, wie fit er gewesen wäre ohne Rei-chans Aufwärmübun-gen...

Kajis Handy klingelte, er ging ein paar Schritte den Flur hinunter, ehe er zu sprechen begann, kehrte aber schnell zurück.
\"Sie verlegen Nagisa in den Krankenflügel des Hauptquartiers, ich bleibe auf alle Fälle noch so-lange hier.\"

\"Okay\", bestätigte Misato. \"Ich fahre jetzt zurück und setze Shinji und Rei daheim ab. Asuka, wenn du mitkommen willst, setz dich in Bewegung, ansonsten bleib hier und sieh zu, wie du zurückkommst.\"

\"Was habe ich denn wieder gemacht?!\" protestierte Asuka laut.

\"Kritik am vorgesetzten Offizier.\" knurrte Misato.

Kurz darauf stieß auch Rei zu ihnen und die vier setzten sich in Bewegung, nachdem sie sich - oder zumindest drei von ihnen - von Toji verabschiedet hatten, der versprach, die Grüße auszu-richten.
Asuka saß auf der Rückfahrt auf dem Beifahrersitz und spielte Beleidigte Leberwurst; als Mi-sato Shinji und Rei vor deren Haus absetzte, konnte Asuka sich eine Bemerkung, die beiden sollten bloß aufpassen, daß die Bude nicht über ihnen zusammenkrachte, nicht verkneifen.


*** NGE ***


Oben in der Wohnung fiel Rei Shinji um den Hals, kaum daß die Wohnungstür hinter ihnen ins Schloß gefallen war, küßte ihn und knöpfte zugleich das Hemd, welches er zuvor hochkonzen-triert zugeknöpft hatte, auf, half ihm aus seinen Sachen und bugsierte ihn ins Bad.


*** NGE ***


Am nächsten Morgen standen Teile der Stadt immer noch unter Wasser, weil die Kanalisation an verschiedenen Stellen verstopft war, zum Glück war die Gegend, in welcher Shinji und Rei wohnten, nicht davon betroffen, allerdings fuhren keine Bahnen, da die U-Bahntunnel teilweise überflutet waren, nach der Verlautbarung des Stadtrates würde dieser Zustand noch bis zum Abend anhalten. Noch in der Nacht hatte NERV Entwarnung bezüglich der dunkelblauen Flüs-sigkeit gegeben.

Die beiden fuhren mit dem Rad zur Schule, Shinji auf dem Sitz, Rei auf dem Gepäckträger, sich an Shinji festhaltend und dabei ab und an ein leises \"Huih!\" von sich gebend.
Da sie früh genug losgefahren waren, mußte Shinji sich auch nicht derart anstrengen wie vor über einem Monat, als sie beinahe die Prüfungen verpaßt hätten.

Natürlich dachte der alte Lehrer, welcher auch dieses Jahr wieder den Löwenanteil an Unter-richtsstunden bestreiten würde, nicht daran, sich an den Stundenplan zu halten, dafür gab es wieder einen sehr langen Monolog über den Second Impact, wobei es Shinji sehr schwer fiel, nicht breit zu grinsen, stimmten die Aussagen des Lehrers, der Impact wäre durch einen Aste-roideneinschlag am Südpol hervorgerufen worden, doch überhaupt nicht. Andererseits war das wirklich kein Thema, über welches man lachen sollte...

Ein kurze Abwechslung gab es nur in der dritten Stunde, als Hikari über Lautsprecher zur Di-rektorin zitiert wurde.
Die Klassensprecherin - trotz der Tatsache, daß ein neues Schuljahr begonnen hatte, hatte nie-mand Interesse an Neuwahlen gezeigt - zuckte überrascht zusammen, wartete die Erlaubnis des Lehrers ab und verließ dann den Klassenraum.


*** NGE ***


\"Fräulein Horaki?\" fragte die Sekretärin der Direktorin.

\"Ja.\"
Hikari blickte sich im Vorzimmer unsicher um.
Warum hatte man sie herbestellt? Sie hatte doch ihre Aufgaben korrekt erfüllt...

\"Bitte eintreten.\"

\"Äh, ja.\"
Zögernd öffnete sie die Tür ins Zimmer der Direktorin und trat ein.

Hinter dem Schreibtisch der Direktorin saß nicht diese, sondern eine Frau mit wasserstoffblon-den Haaren, die etwas, das wie das Oberteil eines Taucheranzuges wirkte, unter einem Labor-kittel trug.
\"Hikari Horaki?\"

\"Ja.\"
Hikari sah sich, stellte fest, daß ansonsten niemand anwesend war.

\"Ich bin Ritsuko Akagi, Wissenschaftsoffizier im NERV-Hauptquartier.\"
Sie reichte eine Visitenkarte über den Tisch.

\"Ja...\"
Hikari warf einen Blick auf die Karte, sie trug nur das NERV-Symbol und den Namen der Frau.

\"Wir sind zu dem Schluß gekommen, daß du befähigt bist, einen EVANGELION zu steuern.\"

\"Ich...?\" quetschte Hikari mit erstickter Stimme hervor.
Das mußte doch ein Irrtum sein... sie konnte doch nicht... sie war nicht geprüft worden...

\"Ja.\"
Akagi faltete die Hände vor sich auf dem Tisch.
\"Wir wollen dich als Pilotin für Einheit-03 anwerben.\"

\"Mich? Das kann nicht stimmen... ich kann soetwas nicht...\"

Mit unbewegter Miene hörte Ritsuko zu, wie das Mädchen vor ihr einen Grund nach dem an-deren aufzählte, weshalb es nur ein Irrtum sein konnte.
\"Hikari, ich kann dir versichern, daß uns ausreichende Daten vorliegen, die deine Befähigung bestätigen. Ich habe hier eine Zugfahrkarte nach Matsushiro, wo deine Ausbildung durchge-führt werden wird, sei morgen vormittag am Bahnhof.\"

\"Nein, das geht nicht, ich kann nicht...\"

\"Gut\", seufzte Ritsuko. \"Du kannst gehen.\"

\"Ich... wirklich?\"

\"Ja, natürlich. Ich habe noch mehr zu tun. Aber schicke bitte...\" sie nahm die nächste Akte von ihrem Stapel, \"Toji Suzuhara zu mir.\"

Hikari erstarrte.
Toji... ihr Toji-chan... er würde sicher nicht ablehnen, würde gar nicht erst auf den Gedanken kommen, daß eine solche Option bestand, schließlich wußte er ja, wie Ikari-kun als Pilot rekru-tiert worden war...
Langsam setzte sie sich.

Akagi sah Hikari mit hochgezogenen Brauen an.
\"Gibt es noch etwas?\"

\"Sie werden ihn als nächsten anzuwerben versuchen...\"

\"Ja, ich habe keine große Auswahl.\"

\"Warum ich?\"

\"Deiner Akte nach bist du der beste Kandidat unter den potentiellen Piloten.\"

\"Ich...\"

\"Also?\"

Sie biß sich auf die Lippe.
\"Ich habe Bedingungen.\"

\"Bedingungen? Gut, laß hören.\"

\"Nur zwei... und eine davon würde wohl auch T... Mitschüler Suzuhara stellen.\"

\"Ich höre.\"

\"Ich habe zwei Schwestern, unsere Mutter ist tot. Ich kümmere mich um den Haushalt, wenn ich für NERV arbeiten soll, müssen Sie jemanden abstellen, der bei uns daheim meinen Platz einnimmt.\"

Ritsuko machte sich entsprechende Notizen.
\"Eine Haushaltshilfe... ja, das liegt im Rahmen des möglichen.\"

\"Und dann... Mitschüler Suzuhara hat eine jüngere Schwester, sie liegt seit Monaten im Kran-kenhaus... beim ersten Angriff wurde sie verletzt... NERV soll dafür sorgen, daß sie die best-mögliche Behandlung bekommt.\"

Ritsuko musterte Hikari lange.
\"Warum kümmert es dich, was mit diesem Mädchen geschieht? Sie gehört nicht einmal in deine Klasse.\"

\"Ich... ich habe sie besucht. Das ist mein Preis, Doktor Akagi. Und auch... Mitschüler Suzuhara wird diesen Preis verlangen.\"

\"Hm...\"
Akagi hatte die Pausen bemerkt, welche das Mädchen machte, sobald es über den anderen Kandidaten sprach, so als ob es etwas ganz anderes sagen wollte. Und sie konnte sich denken, was das war.
\"Toji Suzuhara ist dein Freund, nicht wahr?\"

\"Ahm...\"
Hikari wurde rot.
\"Das ist wahr.\"

\"Verstehe.\"
Sie war durch die Jahre bei NERV viel zu abgebrüht, um gerührt zu sein, doch sie war nahe daran.
\"Gut. NERV wird die Kosten der Behandlung von...\"

\"Mari Suzuhara.\"

\"... von Mari Suzuhara übernehmen. Sei morgen pünktlich am Zug, man wird dich in Matsu-shiro abholen.\"

\"Ja, Doktor Akagi.\"

\"Und bewahre Stillschweigen, das gehört zu unserer Vereinbarung.\"

\"Ja.\"

\"Du kannst in den Klassenraum zurückkehren.\"

Hikari verließ das Büro, ging wie im Halbschlaf durch das Vorzimmer und die Flure, konnte sich des Eindruckes nicht erwehren, gerade eben ihre Seele verkauft zu haben...


*** NGE ***


Den ganzen restlichen Schultag saß Hikari mit hängenden Schultern an ihrem Pult und blickte ins Leere, beantwortete neugierige Fragen, weshalb sie zur Direktorin gerufen war, nur mit ei-nem unwilligen Brummen und ließ sich auch nicht von Toji aufheitern.
Schließlich bat sie Rei in der letzten Pause, mit ihr kurz auf das Dach des Gebäudes zu gehen.

Der Himmel über Tokio-3 war klar und erlaubt eine wunderbare Aussicht.
Doch Hikari hatte kein Auge dafür.

\"Du wolltest mit mir sprechen.\"

\"Ja, Rei. Ich... Als ich bei der Direktorin war, war da eine Frau...\"
Hikari reichte Rei die Visitenkarte.

\"Doktor Akagi...\" las Rei überrascht.

\"Ich bin jetzt auch eine EVA-Pilotin.\" erklärte Hikari tonlos.

\"Das...\"
Rei brach ab. Was sollte sie denn sagen? Der Tonfall der Klassensprecherin deutete nicht da-rauf hin, daß sie sich über die Auswahl freute, also verbot sich eine Gratulation. Und genauge-nommen war Rei auch nicht danach zumute, wenn sie bedachte, daß bald ein weiteres Mitglied ihres kleinen Freundeskreises zwar an ihrer Seite stehen, aber auch denselben Gefahren ausge-liefert sein würde.
\"Ich verstehe.\"

\"Ja? Ich verstehe überhaupt nichts, weder, weshalb ich ausgewählt wurde, noch warum ich zu-gesagt habe... das heißt, das warum ist nicht das Problem... sie hätten sich andernfalls an Toji gehalten...\"

Das überraschte Rei nun doch, daß auch Suzuhara-kun auf der Liste von Kandidaten stand, welche das MARDUK-Institut erstellt hatte.
\"Ja.\"

\"Ich darf es ihm nicht einmal sagen. Wie soll ich ihm denn erklären, daß ich die nächsten Tage nicht da sein werde, daß ich leider alle Verabredungen platzen lassen werde, die wir für die na-he Zukunft getroffen haben?\"

\"...\"

\"Rei, wie war es, als du das erste Mal in einen EVA gestiegen bist?\"

\"EVA-00 ist Amok gelaufen und ich wurde schwer verletzt.\"

Hikari wurde kreidebleich.

\"Aber derartiges hat sich nicht wiederholt. Außerdem sind die Sicherheitsvorkehrungen mitt-lerweile verbessert worden.\"

\"Ich... ah... ich habe Angst.\"

\"Ja.\"
Das sollte die Klassensprecherin besser auch... bei EVA-03 war unter Garantie dieselbe Grund-programmierung wie bei den anderen EVAs verwandt worden...
Rei trat neben Hikari an die Brüstung.
\"Hikari, du wirst mit Dingen in Kontakt kommen, welche Angst mehr als rechtfertigen.\"

\"Die Engel... ist es wahr, daß Ikari-kun gestern von einem beinahe verschlungen worden ist?\"

\"Ja. Aber es gibt noch andere Dinge. Die EVAs wurden geschaffen, um die Engel zu bekäm-pfen, das ist der ganze Inhalt ihrer Existenz. Und dies geben sie auch in ihre Piloten weiter.\"

\"Diese... diese Dinger denken doch nicht, oder?\"

\"Wenn du die Kontrolle über ihre Wut behalten willst, darfst du keine Angst verspüren, ver-stehst du?\"

\"Keine Angst... keine Angst...\"

\"In einem Kampf kann ich... können Shinji-kun und ich dich beschützen, aber im EntryPlug, in der Steuerkapsel, bist du auf dich allein gestellt.\"

\"Ich verstehe... es ist also ganz leicht, in einem EVA verletzt zu werden, trotz der Größe und der Panzerung...\"

\"Außer, wir stehen zusammen. Sag Suzuhara-kun, du mußt dringend weg, sag ihm, wenn er mit dir sprechen will, soll er mit mir reden, ich werde versuchen, einen Kontakt herzustellen.\"

\"Das ist sehr nett von dir.\"

\"Ich habe nicht viele Freunde.\"

\"Dann... ich habe bereits darüber nachgedacht, fast den ganzen Tag... ich werde heute nachmit-tag mit Toji ausgehen, er hat mich ins Kino eingeladen... und danach... meine ältere Schwester arbeitet in einem Hotel, sicher bekommen wir dort ein Zimmer... ich muß nur meinen Koffer für die Reise nach Matsushiro mitnehmen...\"
Hikari verstummte.
\"Ich habe das Gefühl, daß ich heute zum letzten Mal hier stehe.\"

\"Die Grundausbildung wird bestenfalls zwei Wochen in Anspruch nehmen, danach wirst du nach Tokio-3 zurückkehren, da der EVA im Hauptquartier stationiert sein wird. Du wirst noch oft hier stehen können, Hikari.\"

\"Du bist eine echte Freundin, Rei... und was meine Planung des heutigen Abends angeht... be-halte es bitte für dich, ja?\"

\"Natürlich.\"

\"Ich will nur eine schöne Erinnerung mit auf die Reise nehmen...\"


*** NGE ***


Im Hauptquartier standen Misato und Kaji derweil vor einem Automaten in der Cafeteria.

\"Willst du auch Kaffee? Ich lade dich ein.\"

\"Kaffee? Kein Bier? Katsuragi-chan, geht es dir gut?\"

\"Natürlich geht es mir gut... nein, eigentlich geht es mir nicht gut. Asuka macht Streß, ich habe zuhause kein Bier mehr im Kühlschrank und überlege, ob ich nicht für ein paar Tage einfach in mein Büro ziehen sollte.\"

\"Du könntest bei mir wohnen.\"

\"Glaubst du wirklich, das würde gutgehen?\"

\"Weiß nicht, einen Versuch wäre es doch wert, oder?\"

\"Lieber nicht, Kaji. Du hast dich vielleicht seit unserer gemeinsamen Zeit verändert, aber ich bin noch nicht darüber hinweg.\"

\"Okay, wie du meinst. Aber ich werde mir weiterhin Mühe geben.\"

Misato nickte.
\"Ritsuko hat mir vorhin mitgeteilt, daß sie den Piloten für EVA-03 aussucht... unter den Kan-didaten mit höchster Priorität sind auch Freunde von Shinji.\"

\"So...\"

\"Ja. Kannst du mir sagen, wie es Kandidaten geben kann, wenn laut deinen Nachforschungen das aussuchende MARDUK-Institut gar nicht existiert? Das läuft doch alles viel zu glatt.\"

\"Tja, Katsuragi... Ich bin im Zusammenhang mit den Testkandidaten auf etwas gestoßen... Co-de 707.\"

\"707 - das ist Shinjis Schule, das ist der Sicherheitscode für das Areal.\"

\"Ja, genau. Wenn du mich fragst, dann manipuliert NERV alles selbst insgeheim.\"

\"NERV selbst... nein... Ikari...\"

\"Ikari ist NERV. Und wenn ihm klar wird, daß ich das alles weiß, bezweifle ich, daß er mich weiterhin am Leben lassen wird.\"

\"Kaji...\"

\"Ah, komm, Katsuragi, das ist das Risiko, welches zum Job gehört. Ich soll solange ausharren, wie ich kann. Und falls ich ganz überraschend abreisen muß, um meinen knackigen Hintern zu retten, ist es wohl besser, wenn jemand weiß, was abgeht. - Wußtest du eigentlich, daß Ikari vor dem Second Impact mit einer Reihe wissenschaftlicher Veröffentlichungen Aufsehen erregt hat?\"

\"Nein, was meinst du?\"

\"Ikari... oder besser Rokubungi, wie er damals noch hieß... er hat nämlich bei der Hochzeit den Namen seiner Frau angenommen... war ein Verfechter der Verbesserung des Menschen durch Genmanipulation im Ungeborenenstadium. Stichwort: Der perfekte Mensch.\"

\"Mein Gott...\"

\"Ja. Seiner Theorie nach ist es möglich, durch gezielte Manipulation jede Veranlagung und je-de Begabung hervorzurufen, Erbkrankheiten auszurotten, alles was nicht perfekt ist, einfach zu korrigieren... in seiner Vorstellung müßten wir vielleicht alle groß, blond und blauäugig sein, oder so ähnlich.\"

\"Und was hat das mit der Gegenwart zu tun? Ich meine, mir gefällt das auch nicht, absolut nicht, aber wo ist der Zusammenhang?\"

\"Erstens: Ich glaube, daß Ikari in der Klasse 2-A... nein, jetzt ja 3-A der Tokio-3-High eine ei-gene Testgruppe hat. Jeder der Schüler ist ein potentieller EVA-Pilot, aber das ist alles, anson-sten steht niemand auf der Liste. Und zweitens: Rei.\"

\"Das ist übel... und was ist mit Rei?\"

\"Rei Ayanami - stärker, schneller, robuster, intelligenter... besser als der Durchschnittsmensch. Klingelt da etwas? Klingt doch, als ob Ikari seine Theorien in der Praxis angewandt hat.\"

\"Das... Kaji, weißt du, was du da sagst?\"

\"Kennst du Reis Geburtsdatum? Die Namen ihrer Eltern? Mögliche noch lebende Verwandte? Ihren Geburtsort? Den Todestag ihrer Eltern? Irgendetwas?\"

\"Nein. Die Daten sind entweder geheim oder gelöscht.\"

\"Es gibt überhaupt nichts. Das erste Mal taucht eine Rei Ayanami vor etwas über fünf Jahren in den Unterlagen auf, als NERV für sie eine Wohnung angemietet hat. Und was die geheimen Unterlagen angeht... ich habe mich in die Datenbank gehackt - Katsuragi, die Dateien sind alle leer.\"

\"Das ist eine Verschwörung. Und wir stecken mitten drin.\"

\"Genau. Und deshalb kann ich dir nur raten, in Zukunft immer mit einer geladenen Waffe unter dem Kopfkissen zu schlafen.\"

\"Was ist mit dem Fifth Children? Durch Nagisas Rettung wird doch eigentlich kein neuer Pilot mehr benötigt, oder?\"

\"Nun, den neuesten Nachrichten zufolge ist der Junge auf längere Sicht hin nicht einsatzbereit. Er ist zwar inzwischen wach, befindet sich aber in einer Art Schockzustand, der jede Synchro-nisation mit einem EVA verbietet.\"

\"Hm... wen Ritsuko wohl aussuchen wird...\"


*** NGE ***


Shinji stand am Schultor und wartete auf Rei, welche noch etwas mit Hikari zu besprechen hat-te.

Kensuke trat an ihn heran.
\"Sag mal, Shinji...\"

\"Hm?\"

\"EVA-03, ist der schon fertiggebaut?\"

\"Wie kommst du denn auf die Idee?\"

\"Hey, es gibt da draußen noch mehr Leute, die sich dafür interessieren, laut einem von den Ty-pen in der Diskussionsgruppe ist ein weiterer EVA in Matsushiro in Arbeit.\"

\"Ahm, stimmt, da wird einer gebaut...\"

\"Und der Pilot?\"

\"Uh, was soll mit dem Piloten sein?\"

\"Steht der schon fest? Sag schon! Oder kann man sich noch bewerben?\"

\"Äh, Kensuke, ich glaube nicht, daß man auf Anfrage Pilot wird...\"

\"Oh, ich wäre so gerne Pilot! So eine Chance kommt doch nie wieder! Oder werden sie den anderen Piloten nehmen, den von EVA-04?\"

\"Woher weißt du davon?\"

\"Toji hat erzählt, daß man außer dir gestern noch einen Piloten im Krankenhaus behandelt hat... oder hat der ins Gras gebissen? Ist die Stelle vielleicht noch frei?\"

\"Kaworu ist noch am Leben!\" antwortete Shinji heftiger als beabsichtigt.

\"Ich wäre so gerne Pilot... dann würde man mich ernstnehmen... und ich wäre ein Held, so wie in den Mangas!\"

\"Kensuke... äh... ich will dir ja nicht... uhm... zunahetreten... aber... uh... ich fühle mich nicht gerade heldenhaft. Und als Held hat mich auch noch niemand bezeichnet.\"

\"Ach... nicht?!\"
Kensuke ließ die Schultern hängen.
Kapitel 34 - EVA-03

Einen guten Teil des Nachmittages verbrachten Shinji und Rei mit Einkaufen, der Vorrats-schrank mußte wieder einmal aufgefüllt werden, dazu noch die eine oder andere Kleinigkeit, wie Shampoo oder Geschirrspülmittel.
Während Shinji im Anschluß die Einkäufe einräumte, lag Rei bäuchlings auf dem Bett, das Ge-sicht zum Fußende, und starrte gegen die Wand.

\"Ich fange jetzt mit Kochen an!\" verkündete Shinji, kam dann, als eine Antwort ausblieb, in den Schlafraum.
\"Rei-chan... ahm...\"

Sie reagierte nicht.

Shinji setzte sich neben sie.
\"Worüber... uhm... denkst du nach?\"

\"Ich habe heute etwas erfahren. Shinji-kun, kannst du ein Geheimnis bewahren? Es geht um Hikari und Suzuhara-kun.\"

\"Uh... ein Geheimnis?\"
Lag es etwa zwischen den beiden im Argen? Hatten sie sich gestritten? Hatte Hikari deshalb mit Rei-chan sprechen wollen?
\"Natürlich kann ich schweigen.\"

\"Hikari Horaki wurde als EVA-Pilotin ausgewählt.\"

\"Ah... ah...\"
Shinjis Mund stand offen. Damit hatte er nun doch nicht gerechnet, eher damit, am morgigen Tag in der Schule einen am Boden zerstörten Toji wieder aufbauen zu müssen.

\"Für Einheit-03. Ihre Ausbildung beginnt morgen in der Testanlage von Matsushiro.\"

\"Hikari soll einen EVA steuern? Uh... Rei... das ist... also... ahm... ich weiß nicht... wie ist man denn nur auf sie gekommen?\"

\"Das MARDUK-Institut hat sie ausgewählt, so wie du ausgewählt wurdest.\"

\"MARDUK?!\"
Den Namen hatte er schon gehört... ja, dieses Institut war für die Auswahl der Piloten zustän-dig, aber ihm war nie jemand davon über den Weg gelaufen, jedenfalls hatte niemand sich ihm gegenüber als Mitarbeiter des Instituts vorgestellt...
\"Und sie haben... uhm... also... und das hat sie dir vorhin erzählt?\"

\"Ja, Shin-chan. Sie war sehr unsicher.\"

\"Das... ah... das kann ich nachfühlen.\"

\"Ich habe sie vor der Dunkelheit zu warnen versucht.\"

Shinji nickte.
\"Und... uh... Toji?\"

\"Hikari wurde von Doktor Akagi zum Stillschweigen verpflichtet. Sie hat sich mir nur anver-traut, weil ich ebenfalls eine Pilotin bin. Und unter derselben Maßgabe habe ich es dir anver-traut.\"

\"Ja... ahm... ich werde es nicht weitersagen.\"

\"Shin-chan, ich möchte, daß du dir etwas ansiehst... in der oberen Schublade.\"

\"Uhm...\"
Er stand auf, ging zu dem Schrank, sah sie fragend an.
Die oberste Schublade enthielt Rei-chans private Sachen... er hatte noch nie einen Blick hinein-geworfen.

\"Öffne sie ruhig.\"

Shinji zog die Schublade auf, kämpfte sogleich gegen Erröten und Nasenbluten an, als er ihre zusammengelegten Höschen sah.
Warum passierte ihm das denn jetzt? Schließlich legte er doch auch die Wäsche zusammen, wenn sie im Waschsalon aus der Waschmaschine kam...
Daneben lag in der hinteren Ecke ein Brillenetui, dessen Existenz er sich ganz schnell bemühte, wieder zu vergessen. Und da war ein Paar Handschuhe... Handelemente einer PlugSuit...
Er nahm sie und zeigte sie Rei.
\"Ahm, das hier?\"

\"Ja. Sieh sie dir an.\"

Er wußte, was das für Handschuhe waren... die Innenflächen wiesen Spuren von Hitzeeinwir-kung auf, die Farbe war ebenfalls verräterisch. Es waren seine Handschuhe, jene Handschuhe, die er getragen hatte, als sie gegen den Engel Ramiel gekämpft hatten, die beschädigt worden waren, als er die Einstiegsluke von Rei-chans EntryPlug geöffnet hatte.
\"Du... du hast sie die ganze Zeit aufbewahrt?\"

\"Ja, Shin-chan. Eine Erinnerung daran, daß jemand für mich da ist.\"

\"Uhm...\"
Shinji legte die Handschuhe zurück. Das war also das Geheimnis der obersten Schublade...


*** NGE ***


In der Schule irrte Toji am nächsten Tag durch die Gänge wie ein Schlafwandler.

Kensuke schleppte Shinji hinter sich her, während er Toji folgte.
\"He, Toji, was ist denn mir dir los?\"

Toji blinzelte, sah die beiden an.
\"Ach, ihr... habt ihr Hikari gesehen?\"

\"Nein, Großer. Vielleicht ist sie krank.\"

Panik trat in Tojis Augen.

\"Uh, sicher geht es ihr gut.\" sagte Shinji und riß sich endgültig aus Kensukes Griff los.

\"Sie... sie hat gesagt, sie müßte für ein paar Tage weg\", murmelte Toji abwesend.

\"Was hat er denn?\" flüsterte Kensuke Shinji zu.

Shinji hatte eine vage Ahnung, was in Toji vorging, vor allem, wenn Hikari ihn nicht darüber informiert hatte, was ihr bevorstand. Allerdings war die Reaktion doch etwas extrem, wenn sie nur ein paar Tage wegbleiben wollte... außer natürlich, es gab noch andere Gründe...

Toji seufzte tief und langanhaltend.

\"Jetzt macht er mir Angst\", murmelte Kensuke. \"Er sieht aus wie Oberschüler Kuno.\"

\"Wer?\" fragte Shinji.

\"Ach, ist ein Charakter aus einem alten Manga.\"

\"Äh... ja... wir bringen Toji besser ins Klassenzimmer, wer weiß, wo er sonst hinläuft...\"


*** NGE ***


Misato ging die Akte durch, welche Ritsuko ihr schweigend gereicht hatte.
\"Das ist also Nummer vier... Hikari? Warum gerade sie?\"

\"Ihre Werte sind optimal. Führungsqualitäten, Verantwortungsbewußtsein, aber nicht zu selbstbewußt, so daß sie in einem Team arbeiten kann. Die Stärke des nächsten Kandidaten wäre eher seine Selbständigkeit gewesen, aber ich ziehe sie einem einsamen Wolf vor.\"

\"Das Mädchen hat zwei Schwestern und einen verwitweten Vater, sie kümmert sich allein um den Haushalt...\"

\"Ich weiß. NERV hat eine Haushaltshilfe engagiert.\"

\"So... Hat das MARDUK-Institut sie ausgewählt?\"

\"Natürlich, da beziehen wir alle unsere Daten her.\"

\"Aha. Ritsuko, dein Büro wirkt so aufgeräumt...\"

\"He, keine Kritik, ja... wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!\"

\"Ich meine doch nur... ziehst du vielleicht in ein größeres Büro?\"

\"Nein, ich verbringe die nächsten zwei Wochen in Matsushiro und weise die neue Pilotin ein. Maya übernimmt hier für mich.\"

\"Ist sie denn schon soweit?\"

\"Ja. Solange es keine größeren Schwierigkeiten gibt - aber dann komme ich ohnehin zurück. Ich habe heute nacht das System von EVA-01 durchgecheckt, keine Bedenken. Maya wird die üblichen Test durchführen und die Synchronraten im Auge behalten. Ach ja, könntest du Rei etwas von mir ausrichten?! Wenn... hm... Fragen bestehen, bin ich über mein Handy zu errei-chen.\"

\"Ja, mache ich.\" antwortete Misato irritiert. \"Also, dann... gute Fahrt... ich komme dann zum ersten Aktivierungstest und der anschließenden Überführung von EVA-03 ebenfalls nach Ma-tsushiro.\"

\"Okay. Maya wird in der Zwischenzeit hier in meinem Büro ihre Zelte aufschlagen - nur falls Kaji und du auf der Suche nach einem abgeschiedenen Ort...\"

\"Ritsuko! Zwischen ihm und mir ist nichts mehr! Und außerdem gibt es doch wohl tausend bessere Orte als gerade dein Büro, wo man von lauter Katzen angestarrt wird!\"

\"Da fällt mir ein - ich muß meine Katzen noch zu meiner Großmutter bringen, kann sie ja schlecht mitnehmen.\"

\"Och, du bist doch die Chefwissenschaftlerin von NERV, da sollte sowas drin sein.\"

\"Nimmst du deinen Pinguin mit zur Arbeit?\"

\"Nee.\"

\"Na also. Vergiß nicht, Rei das von mir auszurichten.\"

\"Mache ich.\"


*** NGE ***


Kaji hörte, wie sich in seinem Rücken die Tür seines Büros öffnete, speicherte sofort die Daten ab, an denen er gerade arbeitete und schaltete den Bildschirmschoner ein. Zugleich gingen sein Blick schräg nach oben zu der dort hängenden verspiegelten Scharfschützenmedaillie und seine rechte Hand zum Griff der Waffe im Schulterhalfter.
In dem provisorischen Spiegel sah er verschwommen einen roten Haarschopf.

Zugleich rief eine Mädchenstimme:
\"Hallo, Kaji-san!\"

\"Asuka...\"
Kaji nahm die Hand von der Waffe.
Seit er dem Mädchen in der Fresenhark-Villa zu Hilfe gekommen war, war er in ihren Augen ein Held, obwohl er ganz anderer Meinung war, war er doch viel zu spät gekommen... aber vielleicht kompensierte sie durch ihr Verhalten ihm gegenüber auch nur ihre Erinnerungen an jenen Tag...
\"Tut mir leid, ich habe gerade ziemlich viel zu tun.\"

Als Antwort umarmte sie ihn von hinten.

Kaji biß die Zähne zusammen.
Ein wenig Bewunderung ließ er sich ja noch gefallen, aber jetzt ging sein Schützling doch zu weit. Und wenn ihr Onkel diese Szene gesehen hätte, wäre er sicher zum gleichen Ergebnis ge-kommen und hätte ihn einem hochnotpeinlichen Verhör unterzogen.
\"Asuka, ich habe wirklich keine Zeit... okay, was gibt es?\"

\"Ich wollte mit dir sprechen... wegen der ganzen Sache mit Shinji und so... du bist mir in den letzten Wochen aus dem Weg gegangen...\"

\"Nein, wirklich nicht, ich bin nur richtig mit Arbeit zugeschüttet, das ist alles.\"

\"Ich wollte ihm wirklich nichts tun... es ist nur so... ich war unsicher, mit ihm allein zu sein, was, wenn er wie Pietter gewesen wäre? Und First verhält sich auch so abweisend...\"

\"Asuka, ich verstehe ja, warum das getan hast, du brauchst mir nichts vorzuspielen. Du magst die beiden einfach nicht und sie kommen mit dir nicht klar, das passiert überall, liegt wohl in der Natur des Menschen.\"

\"Nein, ich spiele dir nichts vor... ich liebe dich doch!\"

Innerlich verzog Kaji das Gesicht, äußerlich behielt er jedoch sein Pokerface bei.
Soetwas fehlte ihm gerade noch, daß sich ein Teenager in ihn verliebte...
\"Ich weiß, daß du mich magst - ich mag dich ja auch -, aber das ist noch keine Liebe. Du kennst mich doch gar nicht, weder meine Schwächen, noch meine häßlichen Seiten. Du bildest dir nur ein, mich zu lieben, weil du mich interessant findest.\"
Ein paar harte Worte brachten sie vielleicht dazu, von ihrer Faszination abzurücken... er konnte Asuka ja verstehen, schließlich war er erwachsen, gutaussehend, clever, geheimnisvoll... und hatte einen knackigen Hintern...

\"Das ist nicht wahr!\" rief Asuka sichtlich getroffen.

\"Ist es doch. Du bist doch immer noch ein Kind.\"

Asukas Miene versteinerte.
Noch ein Kind...
Nein, ein Kind war sie schon lange nicht mehr, seit über zwei Jahren nicht mehr...
Sie öffnete die Schleife ihrer Schuluniform, knöpfte ihre Bluse auf.

Kaji sah sie entgeistert an.
\"Asuka, laß das... was soll das? Hör auf!\"

\"Kaji... sieh genau hin! \'Ein Kind\'? Sieh mich an, bin ich ein Kind?\"
Sie legte eine Hand auf ihren, nur noch von ihrem BH bedeckten, üppigen Busen.
\"Sieht so ein Kind aus? Mir ist es ernst, Kaji, ich würde dir alles geben... freiwillig...\"
Die Bluse fiel zu Boden.
\"Bitte, versteh meine Gefühle...\"

Kaji schluckte, bückte sich nach der Bluse.
\"Jetzt verstehe ich sie. Und ich werde dich nie wieder \'Kind\' nennen.\"
Er hängte ihr die Bluse über die Schultern.
\"Aber ich erwidere deine Gefühle nicht. Es tut mir leid.\"

Asuka starrte ihn an.
In ihr zerbrach etwas. Warum liebte er sie nicht? Warum konnte er sie nicht lieben? Wen liebte er dann...
\"Misato...\" flüsterte sie.
Zorn stieg in ihr auf. Misato hatte ihr Kaji fortgenommen...
\"Du liebst sie immer noch?! Gibt es deshalb keinen Platz für mich?\"

Kaji hob abwehrend die Hände.
\"Asuka, das ist es nicht...\"
Er log, ja, aber die Wahrheit hätte das Mädchen noch mehr in Rage versetzt...

\"Nein? Denkst du, ich würde nicht bemerken, wie du sie ansiehst?\"

Kaji fühlte sich, als wäre er unfreiwilliger Darsteller in einer Seifenoper.
\"Asuka...\"
Er wich zurück, stieß dabei gegen seine Mouse, schaltete den Screensaver ab.

\"Moment mal...\"
Asuka peilte an ihm vorbei, fixierte das Bild der Klassensprecherin der 3-A, Hikari Horaki, welches auf dem Bildschirm erschienen war.
\"Das gibt\'s doch nicht... die und EVA-Pilotin? Ihr spinnt doch alle hier!\"
Fahrig schlüpfte sie wieder in ihre Bluse, knöpfte sie zu, wich zugleich zur Tür zurück.
\"Kaji... ich... ich... ich hasse dich!\"
Kaji hatte sie fallengelassen... er liebte sie nicht... hatte sie nie geliebt... er hatte sie verraten... gab Misato den Vorzug... wurde deshalb die Klassensprecherin ins Team geholt, diese Schne-pfe? Um sie auszubooten? Nicht mit ihr, nicht mit Asuka Soryu Langley!


*** NGE ***


Zwölf Tage waren vergangen, die Klassenfahrt stand unmittelbar bevor, ein Tag Schule noch, dann das Wochenende und am Montag würde die 3-A nach Okinawa abfliegen.
Die Piloten waren bereits Anfang der Woche darüber informiert worden, daß sie an der Reise nicht teilnehmen würden, was Rei mit unbewegtem Gesicht, Shinji mit leichter Enttäuschung - er hätte gern einmal etwas anderes gesehen als Tokio-3 - und Asuka mit einem offenen Wut-ausbruch zur Kenntnis nahm, bei dem ihr Spind in der Umkleidekabine zu Bruch ging.

Shinji beschäftigte sich in Gedanken mit eben dieser Umkleidekabine - das Piloten-Team erhielt mit einem weiteren weiblichen Piloten Zuwachs. Und der Gedanke, daß sich ausgerechnet Hi-kari auf der anderen Seite des Wandschirmes befinden würde, bereitete ihm Unbehagen. Mit Rei-chan war er mittlerweile vertraut genug, daß sie sogar zusammen duschen konnten, ohne daß er dabei vermeinte, den Verstand zu verlieren. Und die ständig stänkernde Asuka ignorier-te er nach bestem Können, auch wenn ihre Vermutungen über das, was er und Rei-chan so al-les taten, langsam der Realität entsprachen, wie Shinji errötend bei sich feststellte. Aber Hika-ri... wenn Toji erfuhr, daß die Piloten eigentlich nur einen Raum hatten, um sich umzuziehen, der nur von einer dünnen Stoffbahn geteilt wurde... wahrscheinlich würde Hikaris Freund ihm den Hals umdrehen... Toji lief in den Tagen auch immer noch herum wie Falschgeld, während der Stunden starrte er stur auf Hikaris Platz, als könnte er sie so herbeiwünschen.

Schließlich trat Toji in der Pause auf Rei zu.
\"Ayanami, Hikari hat mir gesagt, du wüßtest, wie ich sie erreichen könnte.\"

\"Ja, das stimmt, Suzuhara-kun.\"
Rei holte ihr Handy heraus, tippte die Nummer von Doktor Akagis Gerät ein.
\"Einen Moment.\"
Am anderen Ende der Leitung wurde abgenommen.

\"Rei?\"

\"Ja. Ist Hikari zu sprechen?\"

\"Augenblick, ich stelle in den Test-Plug durch. - Eigentlich hatte ich deinen Anruf bereits früher erwartet.\"

\"Ja.\"

Akagi gab etwas von sich, das wie ein unterdrücktes Lachen klang.
\"Hier ist sie.\"

\"Danke.\"
Rei reichte Toji ihr Handy.

Toji nahm es entgegen, lauschte.
\"Uhm, hi...\"


*** NGE ***


\"Und es macht dir wirklich nichts aus?\"

\"Ach was, wir kommen schon klar.\"

Shinji hörte die Stimme bereits, ehe er um die Ecke des Ganges bog. Er hatte gerade sein Syn-chrontraining hinter sich. Maya Ibuki hatte in den letzten Tagen viel Routine entwickelt, wäh-rend sie zu Anfang noch versucht hatte, durch Scherze ihre Unsicherheit zu überspielen, weil sie allein die Geräte im Testcenter bediente.
Die Stimmen gehörten Kaji-san und Misato.
Shinji bog um die Ecke, blieb in gebotenem Abstand stehen.

Die beiden Erwachsenen standen auf den Korridor vor Kajis Büro, neben Kaji stand PenPen, der einen Rucksack aufgeschnallt hatte.
Misato trug ihre Ausgeh-Uniform.

\"Ah, Shinji, von dir wollte ich mich auch noch verabschieden.\"

\"Uhm. Geht es nach Matsushiro?\"

\"Hier bleibt wohl nichts lange geheim. Ja, stimmt, ich werde zwei, drei Tage weg sein, also macht hier keinen Unfug, nicht daß das Hauptquartier in Schutt und Asche liegt, wenn ich zu-rückkomme!\"
Sie hob mahnend den Zeigefinger, lachte dabei.
\"Das betrifft auch dich und Rei, verstanden?!\"

\"Uh, ja.\"

\"Gut. Kaji ist so nett und paßt die Zeit über auf PenPen auf.\"

Kaji grinste breit.

PenPen wedelte mit einer Flosse.
\"Wark!\"

\"Ich will ihn nicht ganz allein in Asukas Obhut lassen.\"

\"Ja...\"
Das war wahrscheinlich sehr weise von Misato...

\"Die habe ich aber auch gewarnt, sollte sie sich nicht benehmen, dann laß es mich wissen, wenn ich wieder da bin, und es hagelt ein Donnerwetter! Hach, ich schätze, ich muß los.\"

\"Na, gute Reise, Katsuragi, ich passe schon auf deinen Vogel auf.\"

\"Natürlich.\"
Misato ging in die Hocke, tätschelte PenPen den Schädel.
\"Mach\'s gut, mein Kleiner.\"

\"Wark! Wark!\"

\"Genau.\"
Sie richtete sich auf, knuffte Kaji kurz.
\"Und nochmals danke.\"
Dann ging sie zu Shinji, legte ihm die Hand auf die Schulter.
\"Nicht vergessen - keine Dummheiten, klar, Shinji-kun?\"

\"Uhm... ja, Misato.\"

\"Okay, also, bis in ein paar Tagen.\"
Sie marschierte den Gang hinunter.

Kaji grinste immer noch.
\"Katsuragi immer mit ihren Dummheiten... na gut... - So, PenPen, was meinst du, wollen wir uns mal das NERV-eigene Schwimmbad ansehen?\"

\"Wark!\"
Der Pinguin reichte Kaji eine Flosse. Dieser nickte Shinji zu, ergriff dann die Flossenspitze und ging langsam und gebückt neben dem watschelnden Pinguin den Gang entlang.


*** NGE ***


Zwei Tage später bereitete sich auf dem NERV-Testgelände von Matsushiro alles auf den er-sten Aktivierungstest von EVA-03 vor.

Die Zentrale der Anlage lag oberirdisch, von großen Fenstern aus hatte man einen guten Blick über das Gelände.
EVA-03 stand in einer Grube, aus welcher er mit der Brust herausragte, der EntryPlug war be-reits teilweise eingeführt, stand aber noch offen, ein Metallsteg verband eine Gebäudewand mit der Einstiegsluke. Der EVA war ein schwarzer Gigant, dessen Panzerung an den Schultern und Gelenken weiß abgesetzt war.

Ritsuko Akagi nahm einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse.

\"Noch 30 Minuten bis zum Beginn des Tests!\" verkündete eine Stimme über Lautsprecher, wies die NERV-Angehörigen an, das Testgelände zu räumen.

\"Du bist recht ruhig\", stellte Misato fest.

\"Es kann nichts schiefgehen. Wir haben die Daten von EVA-01 problemlos auf das System von EVA-03 überspielen können. Und das Mädchen hat sogar meine Erwartungen übertroffen - Hi-karis Synchronwerte bei den Trockenübungen im Simulator bewegten sich um einen Wert von 45.5. Das ist besser als Shinjis Werte bei seinem ersten Kampf.\"

\"Sie wurde ja auch nicht gleich ins eiskalte Wasser geworfen.\"

\"Nun ja, Rei mußte für einen solchen Wert sehr lange trainieren.\"

\"Dein Vertrauen möchte ich haben.\"

\"Misato, das Mädchen ist bereit und fähig, einen EVA zu steuern.\"

In diesem Moment verließ Hikari das Gebäude.
Sie trug eine blau-schwarze PlugSuit mit hellen Schulterstücken, bewegte sich im Freien etwas unsicher, ging über den Verbindungsstegs zum EntryPlug, verschwand darin.

\"Verbindung zum Plug!\" wies Ritsuko einen der Techniker an, justierte ihr Headset. \"Hikari, bist du soweit?\"

Auf einem Monitor des Terminals vor ihnen erschien Hikaris Gesicht. Sie lächelte nervös.
\"Denke schon.\"

\"Gut, verhalte dich einfach genauso wie während der Tests, konzentriere dich nur. Es wird fast keinen Unterschied geben.\"

\"G-gut.\"

Misato entging das leichte Beben in der Stimme des Fourth Children nicht.
\"Nur Mut, Hikari, umso eher bist du wieder draußen.\"

\"Hauptstromquelle klar!\" - \"Signalstrom konstant!\" - \"Kühlsysteme störungsfrei!\" - \"Druckverbindungen werden gelöst!\" - \"Datenlink zum Hauptcomputer ohne Probleme!\"

\"So könnte der EVA sogar kämpfen.\" erklärte Ritsuko überzeugt.

\"Hm, ja...\"

\"Was ist? Immerhin wird er deinem Kommando unterstellt sein.\"

\"Ja. Ein Monopol von vier EVAs... damit könnte man die Welt zerstören!\"

\"Wir können immer noch jederzeit den Stecker ziehen. Und die Grube kann sehr schnell mit Bakelit geflutet werden.\"

\"Nein, Ritsuko, ich meine... wenn die Engel besiegt sind... was geschieht dann mit den EVAs? Sie sind jeder konventionellen Armee überlegen, mit ihren AT-Feldern können sie sogar ein Bombardement mit N2-Minen überstehen. Was macht NERV dann mit ihnen?\"

\"NERV untersteht immer noch den UN.\"

\"Hm, ja... aber sieht Kommandant Ikari das auch so?\"

Ritsukos Gesicht verfinsterte sich. Sie preßte die Lippen zusammen, bis sie nur noch eine blut-leere weiße Linie bildeten.

\"EntryPlug-Fixierung abgeschlossen!\" - \"Pulsübermittlung klar!\" - \"Erstanschluß starten!\"

\"Die brauchen uns hier gar nicht\", stellte Misato fest.

\"Nein, wir sind nur zu Überwachungszwecken hier. Wie schlägt Maya sich?\"

\"Nach einigen Anfangsschwierigkeiten hat sie alles unter Kontrolle. Ich mußte Asuka ein we-nig zurechtweisen, aber das war alles.\"

\"Ah, ja...\"

\"Alles im Normalbereich!\" - \"Liste bis 1350 klar!\" - \"Primärkontakte okay!\" - \"Synchronisa-tion wird eingeleitet!\" - \"Übergang zu Phase 2!\" - \"Nervenkontakte klar!\" - \"Synchronisations-kontakt steht!\" - \"Liste bis 2550 klar!\" - \"Harmonics im Normalbereich!\" - \"Synchronverbin-dung wird geöffnet!\" - \"Grenzwert erreicht!\" - \"Synchronisation zwischen Einheit-03 und Pilot bestätigt!\"


*** NGE ***


Hikari saß mit geschlossenen Augen in ihrem Pilotensitz und konzentrierte sich, ganz wie Dok-tor Akagi es ihr beigebracht hatte. Der Würgereiz war auch inzwischen abgeklungen, der sie bei der Flutung des Plugs mit LCL überkommen hatte.
Sie saß da und lauschte.

Ein Pochen... leise und nur im Hintergrund... da wieder... und noch einmal... sich ständig wie-derholend... wie ein Herzschlag... der Herzschlag des EVAs...

Obwohl ihre Augen immer noch geschlossen waren, konnte sie sehen, blickte durch die Augen des Giganten.
Wie klein alles war...

Da war noch etwas... sie spürte eine weitere Präsenz in der Nähe, die sich im Dunkeln verbarg, abwartete, lauerte...

Wer...?

Die Präsenz schien zusammenzuzucken.
Jetzt konnte Hikari sie besser erkennen.
Es war ein Abbild des EVANGELIONs...

War dies das Bewußtsein des EVAs?

In Gedanken formulierte sie einen Gruß, erhielt einen neugierig-fragenden Impuls als Antwort, der zugleich von Schmerz und Qual unterlegt zu sein schien.

Eine ganze Weile verharrten sie so, fixierten einander.

Plötzlich ging ein Ruck durch den EVA.

Hikari verspürte Übelkeit.

Die Repräsentation des EVA-Bewußtseins fuhr herum, gab ein wütendes Grollen von sich.

Hikari spürte Wellen erbarmungslosen Hasses, die von dem EVA ausgingen, spürte den Wunsch, zu töten und zu zerreißen...


*** NGE ***


Shinji saß am Rand des Schwimmbeckens im NERV-Hauptquartier und ließ die Beine ins Was-ser baumeln, sah Rei beim Schwimmen zu, welche ruhig ihre Bahnen zog. Neben ihm saß Pen-Pen, eine Flasche eisgekühlten kohlensäurefreien Wassers in den Flossen, aus der er mittels ei-nes langen Strohhalmes trank.
Rei-chan sah wirklich umwerfend aus, anstatt des Einteilers trug sie einen knappen azurblauen zweiteiligen Badeanzug, der ihre schlanke Figur zur Geltung brachte.
Shinji grinste breit.
\"Na, PenPen, soetwas sieht man am Südpol nicht, oder?\"

\"Wark!\"

Jetzt unterbrach Rei ihre Bahn, schwamm zu den beiden hinüber.
\"Shin-chan, komm doch \'rein, das Wasser ist warm.\"

\"Ahm... ich weiß... uh... aber ich kann nicht schwimmen.\"

\"Ich könnte es dir zeigen.\"

\"Du... ah... ich bleibe lieber an Land.\"

PenPen stupste ihn mit der Flosse an, versuchte ihn auf etwas aufmerksam zu machen.
\"Wark!\"

\"Shinji hat Angst vor Wasser! Shinji hat Angst vor Wasser!\" begann Asuka in seinem Rücken zu singen.

Shinji zuckte zusammen. Und in der nächsten Sekunde fühlte er einen starken Stoß in den Rük-ken, der ihn nach vorn ins Becken katapultierte.

\"Wark!\"
PenPen sprang vorsichtshalber ebenfalls ins Wasser.

Shinji fand sich wasserschluckend und mit Armen und Beinen rudernd im Wasser wieder, spür-te im nächsten Moment, wie jemand ihn um die Hüfte faßte und über Wasser zog.
Prustend schnappte er nach Luft.
Rei-chan hielt ihn... sie hatte ihn gerettet...
Wütend sah er schräg nach oben, wo Asuka am Beckenrand stand, eine Hand in die Seite ge-stemmt.

Sie trug einen weiß-rot gestreiften Zweiteiler, welche ihre körperlichen Vorzüge mehr als nur untermalte, und grinste.
\"Och, hast du dich erschreckt, Shinji-kun?\"

\"Asuka... ich kann nicht schwimmen!\"

\"Na soetwas aber auch... Keine Angst, ich hätte dich schon gerettet... wenn ich es erstmal be-merkt hätte...\"

\"Soryu...\" grollte Rei.

\"Na, ist ja nichts passiert. Viel Spaß noch, ihr zwei Turteltauben, ich bin am anderen Ende des Beckens und arbeitete an meinem Eintauchmanöver.\"
Damit stolzierte sie mit wiegenden Hüften davon.

\"Wark.\" sagte PenPen, der neben Shinji und Rei aus dem Wasser auftauchte.

\"Ja. Hoffentlich ertrinkt sie.\" flüsterte Rei in einem Anflug plötzlichen Zornes, der sich ebenso schnell wieder legte. \"Shin-chan, bist du in Ordnung?\" Zugleich trat sie kräftig Wasser und steuerte den Beckenrand an.

\"Äh, ja... naß, aber in Ordnung...\"
Er hustete, griff nach dem Beckenrand, hielt sich fest.
\"Wenn du nicht dagewesen wärst...\"

\"Ich bezweifle, daß Soryu dann derartiges getan hätte.\"

\"Ahm...\"
Wieder hustete er, zog sich umständlich aus dem Becken.
\"Ich bin völlig durchnäßt... sollte vielleicht gehen und meine PlugSuit überziehen... damit die Sachen trocknen können...\"

\"Ja. Sonst erkältest du dich vielleicht.\"

\"Uhm, Rei-chan, willst du nicht lieber mitkommen?\"
Er warf einen Blick zu Asuka hinüber, welche gerade mit Anlauf ins Becken sprang, dabei eine Rolle vorwärts vollführte.

Rei folgte seinem Blick.
\"Sei unbesorgt. Soryu ist nicht imstande, mir Schaden zuzufügen.\"

\"Na... ahm... da...\"

Die Alarmsirenen heulten auf, aus verborgenen Lautsprechern forderte Makoto Hyugas Stim-me die Piloten auf, sich zu den EVA-Käfigen zu begeben und startbereit zu machen.

Erschrocken wechselte Shinji einen Blick mit Rei.
\"Hikari...?\"


*** NGE ***


Der Aktivierungstest verlief perfekt.
Alle Abläufe entsprachen vollkommen den Protokollen, die Synchronverbindung zwischen EVA-03 und dem Fourth Children war störungsfrei und pendelte sich bei einem Ratio von 44.7 ein.

\"Das ist die Aufregung\", mutmaßte Ritsuko, weshalb der Wert von den Übungen abwich.

\"Wenn\'s sonst keine Probleme gibt...\"

\"Jetzt hör doch mal auf zu unken, Misato, das ist eigentlich meine Aufgabe!\"

Die beiden schrägstehenden Augen von EVA-03 glühten auf.
Sirenen begannen zu heulen.

\"Was ist los?\" rief Ritsuko.

\"Störung im Zentralnervensystem! Der EVA entgleitet unserer Kontrolle!\" meldete einer der Operatoren.

\"Test sofort abbrechen!\"

\"Geht nicht! EVA-03 reagiert nicht auf Kommandos! Stromzufuhr unterbrochen!\"

\"Bakelit-Einleitung in die Grube! Bis Knöchelhöhe!\"

\"Bestätigt...\"

Am Rücken des EVAs, wo mehrere Leitung mit dem Stromanschlußport verbunden waren, bil-dete sich plötzlich in den Leitungen ein Klumpen. Dann platzte die Panzerung auf. Mit einem satten Schmatzen quoll eine zähe kaugummiartige Masse hervor, die sich rasch über den Nak-ken des EVAs und den EntryPlug ausdehnte.

\"Ein Engel!\" stieß Misato hervor.

\"Sofort den Plug evakuieren!\" schrie Ritsuko.

Die Masse über dem Plug erzitterte, etwas schien sich durch sie hindurchschieben zu wollen, wurde aber zurückgehalten.

\"Plug läßt sich nicht evakuieren!\" - \"Bakelit wird eingeleitet!\"

Da sprang EVA-03 aus der Grube, zerriß alle Verbindungen, brach alle Fesseln.
Mit weitausholenden Schlägen richtete er seine Kraft gegen die Gebäude der Testanlage.
Eine riesige Hand wischte auf den Kontrollraum zu, brach durch die Fenster, zerschmetterte, was sich ihr in den Weg stellte...
Kapitel 35 - Bardiel

Einer nach dem anderen wurden die drei EVAs durch jenen Startschacht an die Oberfläche ge-bracht, welcher der Straße nach Matsushiro am nächsten lag.

Bis vor knapp zehn Jahren war Matsushiro ein verschlafenes Fischerdorf an der Küste gewe-sen, dann hatte NERV die Entdeckung der Geofront in der Nähe bekanntgegeben und die Fe-stungsstadt Tokio-3 aus dem Boden zu stampfen begonnen. Plötzlich hatte auch Matsushiro Bedeutung erlangt, da Tokio-3 einen Verladehafen benötigte, so daß das Dorf im Laufe der Jahre zu einer Satellitenstadt von Tokio-3 mit weitläufigen Dockanlagen und großen Lagerhal-len herangewachsen war. Vom Stadtrand Tokio-3s aus konnte man bereits die ersten Häuser Matsushiros sehen, die beiden Orte wuchsen langsam zusammen. Matsushiro beherbergte auch den großen Güterbahnhof und andere Einrichtungen, welche für die größere Stadt in der Nähe wichtig waren. Und es gab dort die NERV-Testanlage...

Von der Testanlage war nicht mehr viel übrig, wie Maya Ibuki mit Entsetzen hatte feststellen müssen, immer wieder hatte sie ein ungläubigen Blick auf den Monitor geworfen, welcher die Bilder der Satellitenübertragung zeigte, während sie mit fliegenden Fingern die EVAs zum Start vorbereitet hatte, während sie durch die Protokolle gehetzt war und entschieden hatte, wo Zeit eingespart und auf welche Vorgänge ganz hatte verzichtet werden konnte.
Die Testanlage war nur noch ein Trümmerhaufen, von welcher sich ein Riese in metallic-schwarzer Panzerung fortbewegte.
Maya beachtete den Giganten, der für die Zerstörungen verantwortlich war, kaum, für sie wa-ren die Trümmer wichtiger, auf welche jetzt herangezoomt wurde. Irgendwo in diesem Chaos mußte sich Sempai Akagi befinden, ihre Mentorin... hoffentlich lebte sie noch, hoffentlich war sie unverletzt...
Rettungsmannschaften waren bereits unterwegs... hoffentlich fanden sie Sempai Akagi...

\"Objekt bewegt sich auf Tokio-3 in gerader Linie zu Hauptquartier zu\", vermeldete Makoto Hyuga. \"Identifizierung positiv, es ist EVA-03.\"

Die MAGI hatten die Alarmsirenen inzwischen wieder abgeschaltet, schwiegen...

\"MAGI stellen kein Blaues Muster fest. EVA-03 wird als Oranges Muster eingestuft.\"

Fuyutsuki warf Ikari einen fragenden Blick zu.
\"Ikari...?\"

Der Kommandant reagierte nicht.

\"Können Sie Kontakt zu dem Piloten aufnehmen?\"

\"Negativ, Sir. Keine Antwort. Die Systeme des EVAs reagieren ebenfalls nicht auf unsere An-frage.\"

Wieder blickte Fuyutsuki zur Seite.
\"Ikari, vielleicht wird EVA-03 ferngesteuert\", flüsterte er. \"Das Komitee...\"

Gendo Ikari runzelte die Stirn.
\"Nein, das würden sie nicht wagen... noch nicht...\" Er hob die Stimme. \"Signal für Betriebs-stop senden! Bei Fehlschlag teilweise Selbstzerstörung des EVAs! Machen Sie ihn bewegungs-unfähig, Mister Hyuga.\"

\"Bestätigt, Sir. - Signale werden ignoriert.\"

\"Er ist jetzt nahe genug heran\", sprudelte es aus Maya heraus. \"Wir erhalten Daten von der Le-benserhaltung des Plugs, Biowerte des Piloten sind im Grenzbereich!\"

\"EVAs in Abfangposition bringen. Update für die Freund-Feind-Erkennung: EVA-03 durch Ziel: Bardiel ersetzen.\"

\"Aber...\"

\"Durchführen!\" knurrte Ikari.

\"Ikari!\" zischte Fuyutsuki. \"Es ist nicht bewiesen, ob ein Engel...\"

Gendo blickte schräg nach oben, doch Fuyutsuki war es, der sich fühlte, als sähe man auf ihn herab.
\"Ich weiß es.\" sagte der ältere Ikari einfach.
Das Pochen in seiner Hand war ihm Anzeichen genug. ADAM spürte die Annäherung seiner Brut...

\"EntryPlug verweigert weiterhin den Evakuierungsbefehl!\" meldete Shigeru Aoba.

\"Versuche einstellen. Anweisung an unsere EVAs: Das Ziel ist zu zerstören!\"

Maya zuckte heftig zusammen.
\"Aber der Pilot...\"

\"Leutnant Ibuki, wenn Sie nicht imstande sind, Ihren Aufgaben nachzukommen, dürfen Sie die Brücke verlassen. Aoba, Sie übernehmen Fräulein Ibukis Terminal.\"

Maya stand langsam auf, sah nach oben zum Kommandostand, schrumpfte unter dem Blick des Kommandanten zusammen und schlich dann aus der Zentrale.

Gendo Ikari gab ein leises Knurren von sich.
Lilim... LILITHs Einfluß machte sich immer wieder bemerkbar...
Er blinzelte.
Waren das wirklich seine Gedanken gewesen...?


*** NGE ***


Die drei EVAs erwarteten den Gegner in einem weiten Halbkreis.
EVA-00 als schwächste der drei Einheiten war mit einem Scharfschützen-Positronengewehr ausgerüstet, Rei würde voraussichtlich den ersten Kontakt haben, da sie den Anweisungen des Hauptquartiers nach am weitesten vorgerückt war.
Die Anweisungen sahen vor, schnell zuzuschlagen und den Gegner auszuschalten, ehe dieser reagieren konnte.
Die Informationen, welche sie erhalten hatten, waren spärlich, sprachen nur von einem Zwi-schenfall in Matsushiro und dem Auftauchen eines Engels.

\"Ob wohl... uhm... ob der Engel EVA-03 angegriffen hat?\" mutmaßte Shinji.

\"Wahrscheinlich. Mich wollte ja auch der Riesenfisch versenken, und der letzte Gegner hatte sich vorher die US-Anlage vorgenommen\", erklärte Asuka. \"Sie lernen... anstatt direkt das Hauptquartier anzugreifen, versuchen sie, uns zuerst auszuschalten, um freie Bahn zu haben.\"

Shinji nickte, pflichtete ihr im Stillen bei.
Asuka redete im Augenblick recht viel, und sie wurde gar nicht gemein oder machte fiese An-spielungen... anscheinend gab es doch Gründe, weshalb sie als Pilotin ausgewählt worden war...
Wie wohl die Lage auf dem Testgelände war?
Als die EVAs startbereit gemacht worden waren, hatte im Hangar helle Aufregung geherrscht, Shinji hatte mitbekommen, daß mehrere Rettungsteams sich auf den Weg gemacht hatten... hoffentlich ging es Misato gut... und Hikari und Doktor Akagi natürlich auch... wenn der Engel den EVA attackiert hatte, dann war Hikari möglicherweise verletzt... wie sollte er das dann nur Toji erklären? Und Rei-chan würde sicher auch betroffen sein, schließlich waren sie und die Klassensprecherin befreundet... hoffentlich ging es ihnen gut... er selbst hatte doch auch schon soviele Prügel einstecken müssen und hatte überlebt...

Asuka knirschte mit den Zähnen.
Wenn der neue Gegner fähig gewesen war, sich mit einem EVA anzulegen und sich immer noch bewegen konnte, dann war er wahrscheinlich gefährlich. Andererseits war die Klassen-sprecherin wohl kaum eine ausgebildete Pilotin wie sie, Asuka Soryu Langley... für einen Engel war diese Hikari wahrscheinlich nicht einmal ein akzeptabler Sparringpartner...

Rei blickte konzentriert durch das Zielvisier. In der Ferne nahm sie Bewegungen wahr.
\"Er kommt.\" meldete sie.

\"Ich habe ihn auch auf dem Schirm. Ziel: Bardiel... blöder Name...\"

Soryu...
Rei blinzelte.
Wenn sie nur gewußt hätte, was mit EVA-03 und seiner Pilotin passiert war. Sie hatte sich doch vorgenommen, zumindest zu Anfang Hikaris Rücken zu decken, bis diese sich einge-wöhnt hatte. Und dann passierte soetwas!
Dann tauchte der Gegner zwischen den Hügeln, welche eine Art Grenze zwischen Matsushiro und dem Stadtgebiet von Tokio-3 bildeten, auf.
Es war ein metallic-schwarzer Riese, dessen Panzerung an Schultern und Hüften weiß abge-setzt war.
Zwei Beine, zwei Arme, ein Kopf...
Ein EVA!
\"Das ist EVA-03.\"

\"Unmöglich, First, der Freund-Feind-Erkennung nach...\"

\"Es ist EVA-03, Soryu!\"

\"Rei, was...\"

Sie wies EVA-00 an, sich aufzurichten.

EVA-03 kam mit Riesenschritten näher.

\"EVA-00 an EVA-03 - Hikari, melde dich! Ich bin es, Rei!\"
Auf ihrem taktischen Schirm wurde der EVA als Feind identifiziert.
Aber das konnte doch nicht stimmen!
Außer... vielleicht hatte der Engel den EVA übernommen...
Und Hikari? Was war mit ihrer Freundin?
Sie trat zur Seite, lief in einem weiten Bogen um EVA-03 herum, welcher sie gar nicht wahr-zunehmen schien.

\"First, was machst du da für Unsinn? Ich komme!\"

\"Rei!\"

\"Ich muß sehen, ob jemand den EVA steuert.\"

\"Rei, zurück! Abstand wahren!\" kam die Stimme des Kommandanten aus dem Lautsprecher.

Rei erstarrte.
Und zugleich wandte EVA-03 ihr den Rücken zu.
Sie konnte den Plug sehen, der in den Steuernerv eingeführt war.
Und sie konnte die weiße Masse sehen, welche sich wie ein Spinnennetz über Nacken und Hin-terkopf des EVAs zog.
\"Jemand ist an Bord. Der Plug ist eingeführt. Aber EVA-03 ist von einem Engel befallen! Hauptquartier, erbitte Anweisungen für weiteres Vorgehen.\"

\"Ziel eliminieren!\" befahl der Kommandant.

Rei schluckte.
Ein direkter Befehl... und er kam vom Kommandanten...
Sie mußte Befehlen folgen...
Aber der Pilot... der Engel lag direkt über dem Plug... wenn sie den EVA unter Beschuß nahm, würde sie Hikari verletzen, vielleicht sogar töten...
Blut...
Sie konnte doch keinen Menschen töten... der Kommandant selbst hatte ihr untersagt, jemals gegen andere Menschen vorzugehen...
Sie würde Hikaris Blut an ihren Händen haben...

Plötzlich nahm sie die dunkle Präsenz des EVA-Bewußtseins wahr, welches sie anzutreiben versuchte, sich auf EVA-03 zu stürzen.
Zugleich erschien auf ihrem Bildschirm eine Mitteilung: Blaues Muster bestätigt!

Sie legte an.

EVA-03 fuhr herum, streckte die Hand nach ihr aus... sein Arm schoß vor, wurde länger und länger, packte EVA-00 an der Kehle, stieß ihn zu Boden.

Rei gab ein Röcheln von sich, glaubte, sie selbst befände sich im Würgegriff des Gegners.

\"Rei, halt aus, wir sind gleich da!\" brüllte Shinji.

Schon war EVA-03 über ihr, schien sie anzugrinsen.

Sie brachte einen Arm zwischen sich und den anderen, drückte ihn weg, ließ das Gewehr los, um den Arm zu packen, mit dem er sie an den Boden nagelte.

Ein dicker Tropfen weiß-grauer Flüssigkeit löste sich von der Masse, welche die Schultern des EVAs bedeckte, klatschte auf den Arm von EVA-00, dann ein weiterer. In Sekundenschnelle überzog ein weißes Geflecht den Unterarm.

Es brannte!
Rei war, als brenne der Engel ein Muster in die Haut ihres Armes.
Sie brüllte auf.

Und zugleich schrie EVA-00 auf, wand sich im Griff des besessenen EVAs, ohne freizukom-men...


*** NGE ***


\"EVA-00 hat Feindkontakt! Engel dringt über den Arm in EVA-00 ein! Kontamination der Ganglien!\" meldete Aoba hastig.

\"Das Armteil abtrennen.\" befahl Ikari völlig ruhig.

\"Aber die Synchronverbindung steht noch!\"

\"Egal. Befehl ausführen!\"
Rei-II war ohnehin in ihrem gegenwärtigen Zustand nutzlos... aber der EVA würde vielleicht noch gebraucht werden. Und auf der Krankenstation befand sich schließlich ein Pilot...

\"Sprengladungen im Schultergelenk gezündet.\"


*** NGE ***


Rei schrie immer noch.

Zwar hatte das Brennen aufgehört, doch dafür schien ihr rechter Arm vom Körper abgetrennt worden zu sein, obwohl sie ihn immer noch spüren konnte... es war der Arm des EVAs gewe-sen... EVA-00 heulte vor Schmerz, blieb dann still liegen...

EVA-03 richtete sich auf, verzichtete darauf, seinem besiegten Gegner weiter zuzusetzen, wandte sich wieder der Stadt zu.

Rei holte keuchend Atem, bemühte sich, sich auf ihren eigenen Körper zu konzentrieren.
Ihr Arm war noch da... sie war unverletzt... nur der EVA hatte Schaden genommen... es war der Arm von EVA-00 gewesen, der abgetrennt worden war...
Doch der Schmerz war nur zu gegenwärtig.

Von ihrem EVA kam ein schwacher Impuls, wie ein stilles Wimmern... die Bitte, endlich ster-ben zu dürfen...

\"Rei, bist du...\" hörte sie Shin-chans Stimme wie aus weiter Entfernung.

\"Ich... lebe...\" flüsterte sie, dann verlor sie kurzfristig die Besinnung.


*** NGE ***


Asuka war mit EVA-02 als erste am Schauplatz des Geschehens.
Der Gegner stampfte einfach davon, hatte EVA-00 zurückgelassen. Unvorsichtig, seinem Geg-ner nicht den Todesstoß zu versetzen... sie hätte nicht so gehandelt... und dumm von First, nicht den Befehlen zu folgen! Sie hatte doch freies Schußfeld gehabt! Jetzt blieb es wieder an ihr, Asuka, hängen... gut, der Engel gehörte ihr... ein EVA also... die wohl größte Schwach-stelle eines EVAs war der Kopf, in dem sich die Sinnesorgane und das künstliche Gehirn befan-den, dafür war er aber auch entsprechend gut gepanzert... aber eine PROG-Klinge seitlich in den Schädel gerammt würde das Problem schon erledigen und den EVA ausschalten... dann konnte sie sich als nächstes den Engel vornehmen... ja, sie würde den Engel allein besiegen, würde allen zeigen, daß sie die beste war... und als Bonus würde sie den EVA nur so gering wie möglich beschädigen...
Aus den Aufsätzen der Schulterpanzerung zog sie ihre PROGRESSIVE-Messer, rannte los, sprang den Gegner von hinten an, um ihm die Klingen in den Schädel zu hämmern...

Und wurde abgefangen...
EVA-03 wich zur Seite aus, überlange Arme packten den roten EVA, schleuderten ihn zu Bo-den, prügelten auf ihn ein...


*** NGE ***


Shinji sah auf den Monitoren der KomPhalanx, wie Rei in ihrem Sitz zusammensackte. Dann erlosch die Verbindung zu EVA-02.

\"Rei! Asuka!\"
Nur Stille antwortete ihm.
\"Hauptquartier...\"

\"EVA-02 ist verstummt, keine Verbindung.\" - \"Nur du bist noch übrig.\"
Die letzte Stimme gehörte seinem Vater...

Er erreichte den Kampfplatz.
EVA-00 lag regungslos am Boden, der abgetrennte rechte Arm ein Stück weiter...
EVA-02 rührte sich ebenfalls nicht...
EVA-03 stand über EVA-02, sah jetzt EVA-01 entgegen.

\"Es ist wirklich ein EVA...\" flüsterte Shinji.

\"Kein EVA. Nicht mehr.\"

\"Vater... und der Pilot?\"

\"Vergiß den Piloten!\"

Hikari... Er erinnerte sich an ihre Begegnung, an seinem ersten Schultag, als sie ihm die Bücher gegeben hatte... Hikari und Toji...
Er konnte doch nicht...
\"Ich kann doch nicht gegen einen anderen Piloten kämpfen!\"
Zugleich nahm er das mentale Grollen seines EVAs wahr, als dieser den Gegner zu riechen schien.
Blutdurst...
EVA-01 kannte die Hemmungen nicht, mit denen Shinji kämpfte...

EVA-03 nahm ihm die Entscheidung ab, indem er ihn angriff...
Schon flog Shinji durch die Luft, prallte hart auf die Straße, sah EVA-03 nachsetzen, warf sich zur Seite, beschränkte sich lediglich auf schwache Blocks, während EVA-01 ihm zuzurufen schien, endlich Ernst zu machen, dem Feind endlich zu zeigen, wozu er imstande war...

\"Shinji, warum kämpfst du nicht?\"
Die Stimme seines Vaters war so ruhig.

\"Es muß doch... einen Weg geben...\"
Wieder erhielt er einen kräftigen Treffer, der ihn zurückschleuderte.
Der Engel hatte die größere Reichweite mit seinen Schlangenarmen, deckte EVA-01 mit Schlägen ein.

\"Du mußt dich wehren. Geh zum Gegenangriff über!\"

\"Ich... kann... nicht... ich kann nicht gegen einen anderen Menschen kämpfen...\"

Der nächste Schlag erwischte ihn am Kopf, plötzlich sah er doppelt.

Der taktische Computer meldete, daß der Sehnerv beschädigt war.
EVA-01 hatte das Äquivalent einer Gehirnerschütterung, schwankte stark.
Die Dunkelheit wogte heran, versuchte, die Kontrolle zu übernehmen.
Shinji hielt dagegen, brüllte in Gedanken, daß er nicht gegen die Pilotin vorgehen würde.

Und das Bewußtsein des EVAs zog sich zurück, unterließ weitere Vorstöße, konzentrierte sich ganz auf die Abwehr der Angriffe, bemühte sich, die Reaktionen des Piloten zu verstärken...

Einen Moment lang war Ruhe.

EVA-01 kauerte auf dem Boden, noch immer konnte Shinji nicht klar sehen, unterlag die Wahrnehmung des EVAs einem Dopplereffekt.

EVA-03 stand in einiger Entfernung, schien darauf zu warten, daß sein Gegner wie die beiden anderen vor ihm auf den Rücken fiel und liegenblieb.

\"Shinji, Angriff!\" befahl Gendo Ikari.

Shinji verharrte, zögerte.

Die beiden EVAs lieferten sich ein Blickduell.
Dann schlug EVA-03 mit der Faust auf den Straßenasphalt und hindurch.
Im nächsten Moment erschien die Hand wieder, brach direkt vor EVA-01 durch den Asphalt, schoß nach oben, umklammerte seine Kehle. Die Straße brach auf. Der zweite Arm schoß vor, jetzt lagen beide um den Hals von EVA-01 und drückten zu, stemmten ihn nach oben.

Shinji röchelte.
In seinen Ohren rauschte das Blut, er bekam keine Luft mehr...
Er brauchte Hilfe!
Rei...!


*** NGE ***


\"Lebenszeichen kritisch! Synchronisation fällt!\"

Kozo Fuyutsuki öffnete den Mund, wollte Anweisung geben, den EntryPlug von EVA-01 zu evakuieren, um den Piloten zu retten.

\"Warte.\"

Ein Wort nur, doch mit diesem einen Wort hielt Gendo Ikari seinen Stellvertreter zurück. \"Ich denke, dies wäre eine Gelegenheit, den DummyPlug zu erproben, wenn Shinji sich weigert zu kämpfen.\"

\"Der DummyPlug wurde noch nie getestet...\"

\"Einmal ist immer das erste Mal.\"

\"Sir, EVA-00 regt sich wieder!\"


*** NGE ***


Hikari kämpfte!
Sie hatte die Kontrolle über den EVANGELION verloren, doch noch gab sie nicht auf, noch bestand zwischen ihr und dem Bewußtsein des EVAs eine Verbindung!
Sie hatte mitansehen müssen, wie der EVA, wie ihr EVA, die Testanlage zerstört hatte. Mit banger Hoffnung hatte sie bei jedem Ruck, der durch den Plug ging, gebetet, daß dieser sich endlich evakuieren ließ, doch jedesmal hatte der Engel sie aufgehalten.
Trotzdem wehrte sie sich immer noch, unterstützte den EVA in seinem Kampf gegen den Ein-dringling.
Auf der Synchronisationsebene nahm sie den Engel als großes quallenartiges Gebilde wahr, das sich im Inneren des EVAs ausgebreitet hatte. Das EVA-Bewußtsein in seiner Gestalt, welches dem EVA in Miniatur glich, attackierte die Qualle, riß mit seinen Klauenhänden große Stücke aus der Masse, ohne wirklichen Schaden anzurichten, zu groß war der Quallenkörper, zu schnell schlossen sich die Verletzungen wieder, während die herausgerissenen Stücke wieder auf den Hauptkörper zueilten und sich mit ihm verbanden.
Es war ein Kampf gegen Windmühlen...
In Gedanken feuerte Hikari ihren ungleichen Verbündeten an, spürte zugleich den Haß und den Blutdurst, der von ihm ausging, der ihn vorantrieb trotz der Tatsache, daß er klar unterlegen war. Und zugleich versuchte sie, die Kontrolle zurückzuerlangen, suchte nach einer Schwach-stelle, einem Ansatzpunkt...

EVA-03 traf auf EVA-00...
Hikari hatte die anderen EVAs nie mit eigenen Augen gesehen, doch Aida-kun hatte sie im De-tail beschrieben, daher war sie sich ganz sicher, daß in dem EVA, der ihr erster begegnete, nur Rei sitzen konnte.
Sie war also geschickt worden, um den Engel aufzuhalten...
Aber was tat sie denn? - EVA-00 schlug einen weiten Bogen... wollte sie EVA-03 von hinten angreifen?
Als hätte der Engel ihre Gedanken verstanden, drehte EVA-03 sich plötzlich um, ging zum An-griff über, würgte EVA-00, dann infizierte der Engel auch diesen EVA... der infizierte Arm von EVA-00 wurde abgesprengt... Ayanami!... der EVA lag regungslos am Boden.
EVA-03 hob die Faust, um den Gegner für alle Zeiten auszuschalten...
Hikari versuchte, den Schlag zu verhindern, stemmte sich mit aller Kraft gegen die Geistesimpulse des Engels... der andere EVA war doch bereits besiegt...

Und tatsächlich unterblieb der Schlag, versetzte EVA-03 dem anderen EVA nicht den Todes-stoß, sondern wandte sich ab und wollte gehen.

Hikari stellte fest, daß sich der Griff des Engels um den EVA etwas gelockert hatte, daß ein Teil des Quallenkörpers zur Seite gerutscht war.
Sie dirigierte das EVA-Bewußtsein zu der entsprechenden Stelle, sah zu, wie das Abbild des EVAs versuchte, dem Engel die Kontrolle weiter zu entreißen... Dann plötzlich wurde es zur Seite geworfen, als der Engel sich wieder völlig über die Kontrollen ausdehnte.
Ein weiterer EVA, dieser in Rot, attackierte EVA-03 mit blankgezogenen Messerklingen, wur-de im Lauf gestoppt, fortgeschleudert...

\"Nein, nicht...\"

Doch diesesmal brachte Hikaris Flehen nichts, diesesmal setzte der besessene EVA nach, schlug auf EVA-02 weiterhin ein, bis EVA-01 die Szene betrat und ihn ablenkte...


*** NGE ***


Rei setzte sich auf, vergewisserte sich, daß ihr Arm tatsächlich noch an Ort und Stelle war.
Die Synchronverbindung zu EVA-00 bestand noch immer, wenn auch nur schwach, sie spürte, daß der EVA litt. Wenn sie sich jetzt auf die Verbindung konzentrierte, würden seine Schmer-zen wieder zu ihren Schmerzen werden...

Der große Bildschirm vor ihr zeigte nur blauen Himmel.
Die kleinen Monitore der KomPhalanx waren alle dunkel.
Sie befahl EVA-00, den Kopf zu drehen.
Nach einer endlos langen Zeitspanne kam EVA-00 der Anweisung nach.
EVA-02 lag ein Stück weiter auf dem Rücken, offenbar hatte der Engel auch Soryu erwischt.
Wo war EVA-01... wo war ihr Shin-chan...?

Ein dumpfes Stöhnen kam aus dem Lautsprecher in der Rückenlehne.
\"Shinji?\"

\"Nein.\" knurrte jemand.

\"Soryu.\"

\"Hast es erfaßt... Au...\"

EVA-02 lag immer noch völlig ruhig.

\"Bist du verletzt?\"

\"Nein\", schoß es zurück. \"Ich liege hier zum Spaß.\" Wieder stöhnte sie. \"Der hat mich ganz schön erwischt... Synchronverbindung unterbrochen... Ich starte alle Systeme neu.\"

Rei ließ EVA-00 den Kopf weiter drehen - und dann sah sie die anderen beiden EVAs!
EVA-03 hatte EVA-01 im Würgegriff, stemmte ihn in die Luft...
\"Shinji!\"
Er antwortete nicht...
Sie mußte ihm helfen!
Immer noch kamen von EVA-00 nur Schmerzimpulse.
Rei schloß die Augen, konzentrierte sich auf die Synchronverbindung, tauchte ein in ein Meer aus Blut...

Der Schmerz überrollte sie.
Schlagartig veränderte sich ihre Umgebung, befand sie sich nicht mehr im EntryPlug, sondern an der Küste eines Meeres, der Ort war ihr unbekannt, konnte unmöglich ihren Erinnerungen entstammen. Das Meer war in Aufruhr, tobte... meterhohe Wellen schlugen weit ins Land hin-ein, zerschmetterten Mauern und Dächer...
Der Schmerz war nicht überall... es gab eine Quelle...
Sie drehte sich zur Seite.
Dort, am Fuße einer dicken Mauer, lag eine menschliche Gestalt wie eine zerbrochene Puppe, deren Fäden gekappt worden waren. Nein, kein Mensch, ein EVA... es war eine menschen-große Version von EVA-00, die dort in einer immer größer werdenden Pfütze aus Blut lag, die Gliedmaßen in unnatürlichen Winkeln von sich gestreckt...
Das mußte die Repräsentation des EVA-Bewußtseins sein...
Rei tat einen Schritt auf die Gestalt zu, stand plötzlich neben ihr. Sie verstand, sie befand sich im Herzen des EVAs, nahm Teil an den Erinnerungen der digitalisierten Persönlichkeit, welche der Kern der Grundprogrammierung von EVA-00 war.

\"Laßt mich sterben...\" flüsterte der EVA mit mechanischer Stimme. \"Ich will sterben...\"

Rei blickte auf die zerbrochene Gestalt hinab.
\"Ich brauche deine Hilfe.\"

\"Ich kann nicht. Ich will sterben...\"

\"Dann gewinnt der Feind.\"

\"Der Feind...\"

\"Dann sterben Unschuldige.\"

Das Auge des EVAs leuchtete auf.
\"Unschuldige? Unschuldige müssen... beschützt werden...\"
Unter sichtlicher Anstrengung streckte er die Hand nach oben.

Rei ergriff die Hand...

Im nächsten Moment war sie wieder im EntryPlug.
Ihr rechter Arm war völlig taub, ihre Kehle fühlte sich wund an.
Doch EVA-00 gehorchte ihren Anweisungen, kam schwankend auf die Beine.
Wo waren EVA-01 und EVA-03?
Dort drüben...

EVA-02 zuckte... Soryu startete die Systeme neu, ihr EVA war dazu in der Lage...

\"Soryu, ich versuche, EVA-03 aufzuhalten. Folge mir, sobald du dazu in der Lage bist.\"

\"Ich nehme von dir keine Befehle an, First! Der Engel gehört mir!\"

Rei ignorierte sie, ließ EVA-00 in Laufschritt verfallen. Es war schwierig, das Gleichgewicht mit nur einem Arm zu behalten, der Schwerpunkt der EVAs lag ganz anders als bei einem Menschen, auch war die Wirbelsäule anders geformt, eher wie die eines Affen...
Sie spürte, die von EVA-00 wütende Impulse ausgingen, wie aus Wut Haß wurde. Der EVA wußte genau, wer ihn angegriffen hatte, wollte sich revanchieren, stürmte los, den Oberkörper etwas zur Seite geneigt, um das Fehlen eines Armes auszugleichen.
Rei deckte ihn mit gezielten Gedankenbefehlen ein, hielt ihn davon ab, blind anzugreifen und den anderen EVA zerlegen zu wollen.
Kontrolle...
Selbstbeherrschung...
Diese beiden Dinge, deren Perfektion sie einen guten Teil ihrer bisherigen Existenz gewidmet hatte, kamen ihr jetzt zugute.
Wuchtig rammte sie EVA-03 mit der Schulter über der Hüfte, vermied, mit der Masse des En-gels in Kontakt zu kommen.

EVA-03 ließ EVA-01 los, stolperte nach vorn.

EVA-00 gab dem anderen EVANGELION einen kräftigen Tritt in die Kehrseite, trat noch ein-mal nach, pflanzte einen Fuß dann auf seinen verlängerten Rücken, um ihn am Aufstehen zu hindern.

\"Shinji!\"


*** NGE ***


Plötzlich konnte Shinji wieder atmen.
Der besessene EVA hatte seinen Hals losgelassen...
Er schnappte gierig nach Luft, sah sich um.

EVA-00 hatte eingegriffen.
Rei-chan...
Sie hatte EVA-03 zu Boden geschleudert und versuchte jetzt, ihn unten zu halten, indem sie ihm den Fuß in den Rücken stemmte.
Das konnte nicht klappen... EVA-03 war zu stark...
Shinji kniff die Augen zusammen, doch das half nichts, EVA-01 sah immer noch leicht doppelt.
Dann mußte es eben so gehen...
Er durfte mit dem Engel nicht in Berührung kommen, sonst erging es ihm wie Rei-chan vor-hin... der verdammte Mistkerl hatte seine Rei-chan verletzt! Das würde er büßen... sobald sie den EntryPlug herausgeholt hatten, würde er den Engel in Stücke reißen, dazu mußte ihn nicht erst sein EVA ermutigen...

EVA-03 stemmte sich langsam nach oben, würde gleich EVA-00 abschütteln...

EVA-01 sprang vor, hell glühte sein AT-Feld auf, wurde zum ersten Mal sichtbar, als Shinji es auf volle Intensität brachte und um seine Hände herum konzentrierte.
Wuchtig landete er im Kreuz des anderen EVAs, drückte diesen wieder zu Boden, grub die ge-schützten Hände in die grau-weiße Masse, welche den Plug bedeckte. Rei-chan schien zu ver-stehen, was er vorhatte, jedenfalls verlagerte sie nun ebenfalls das ganze Gewicht von EVA-00 auf den Rücken des schwarzen EVANGELIONs.
Teamwork war der Schlüssel!


*** NGE ***


Ächzend richtete Asuka sich auf, das hieß, eigentlich richtete EVA-02 sich auf und Asuka ächzte, aufgrund der Tatsache, daß sie durch die Synchronverbindung derart mit ihrem EVA verbunden war, daß sie jede Beule in der Panzerung als schmerzhafte Prellung, jeden Kratzer als kleinen Schnitt und vor allem die Stelle, wo der Engel die kräftig an der Schulter getroffen hatte, spürte, als hätte sie sich die Schulter gebrochen, war eine solche Unterscheidung jedoch Makulatur.

Ganz in der Nähe lag Reis Positronengewehr.
EVA-02 hob es auf, wandte sich dem Kampfplatz zu, wo EVA-00 und -01 im Rücken von EVA-03 hockten und diesen an den Boden nagelten.
Der Funkkontakt war wieder unterbrochen, auf über den Bildschirm liefen ständig helle Strei-fen, offenbar hatte ihr EVA mehr abbekommen, als sie wahrnehmen konnte.
Das machte sie wütend...
Der Engel hatte es gewagt, ihrem Liebling Schaden zuzufügen!
EVA-02 würde sie nie im Stich lassen, nie verraten... er war der einzige, dem sie noch ver-trauen konnte, nachdem Kaji ihre Liebe verraten hatte... Kaji, der sie nie geliebt hatte... wahr-scheinlich hatte er immer nur an Misato gedacht... warum hatte sie nur immer ein solches Pech, warum tat man ihr das an... Liebe... das war doch nur ein Konzept, das konnte gar nicht real sein... die Menschen machten sich doch nur etwas vor... auch Pietter hatte behauptet, sie zu lie-ben, dabei hatte er nur Lust verspürt... Kaji... Misato... EVA-03... alles Verräter!
Der Engel gehörte ihr!
Und ganz offenkundig schafften Dumpfbacke und Wondergirl es ohnehin nicht, den Engel auszuschalten, sie waren ja schon völlig damit beschäftigt, den EVA festzuhalten...

Unfähig...

Mit weitausholenden Schritten marschierte Asuka auf die anderen zu, überprüfte dabei das Ge-wehr, machte es feuerbereit...


*** NGE ***


Hikari stellte fest, daß die Kraft des Engels erlahmte!
Er verlor langsam aber sicher die Kontrolle über den EVA!

Sie konnte nicht sehen, was draußen geschah, der Kopf von EVA-03 wurde gegen den Boden gepreßt, auch war ihr, als sitze jemand in ihrem Rücken. Wahrscheinlich hatte Ayanami... oder Ikari-kun... oder beide... EVA-03 zu Fall gebracht und hielten ihn jetzt am Boden.
Wenn sie mit ihnen doch nur hätte Kontakt aufnehmen und ihnen von ihrer Beobachtung be-richten können...

Sie selbst war ebenfalls geistig ausgelaugt von dem beständigen Kampf.

Das EVA-Bewußtsein kämpfte immer noch gegen den Einfluß des Engels, entwurzelte diesen Stück für Stück.

Eine Welle von Gedankenimpulsen traf Hikari.

Der Eindruck, versagt zu haben...
Bedauern...
Schmerz...

War das der Engel?
Warum teilte er sich ihr so mit?

Plötzlich glaubte sie, vor sich ihre verstorbene Mutter stehen zu sehen. Sie war an einen Pfahl gefesselt, der Kopf hing kraftlos nach unten...

Was...
Der Engel zeigte ihr dieses Bild!

Bitten...
Ein Bitten um Hilfe...
Wieder dieses Gefühl, versagt zu haben...

Aber die Engel wollten doch die Erde vernichten!

Unverständnis...
Wieder das Bild der gefesselten Mutter...
Dann ein weiteres Bild, EVA-03, der auf den Pfahl zutrat, die Fesseln zerriß, die geschwächte Mutter auffing...
Verzweiflung...

Warum kämpften sie dann gegen sie, warum griffen die Engel Tokio-3 an?

Ein neues Bild, wieder die gefesselte Mutter, doch diesesmal von zahllosen EVANGELIONs umgeben, welche Schulter an Schulter stand, einen undurchdringlichen Kreis bildeten, der je-den draußen halten sollte.

Die Engel wollten jemanden befreien? Einen der ihren?
Hikari fiel es wie Schuppen von den Augen - der Engel kommunizierte mit ihr!
Sie unterhielt sich mit einem Außerirdischen... er war kein Feind... aus seiner Sicht waren die Menschen die Übeltäter, welche einen seiner Art festhielten... wenn sie das nur den anderen mitteilen konnte... dieser ganze Kampf war völlig unnötig...

Der Engel löste die letzten Verbindungen zu EVA-03, gab Hikari die Kontrolle zurück, vermit-telte ihr mit einem Gedankenimpuls, daß sie verstanden hatte.

Hikari tastete sich vorsichtig in die Synchronverbindung vor, übernahm den EVA wieder, such-te nach der Steuerung des Funkgerätes...

Dann wurde es plötzlich hell, sehr, sehr hell.
Und eine Sturmfront trug ihr Bewußtsein fort...


*** NGE ***


EVA-01 zerrte an der Masse des Engels, versuchte, den Plug freizulegen, setzte alle Kraft ein, doch der Engel war wie aus Gummi, sobald die Spinnenfäden irgendwo rissen, klatschten sie zurück und vereinigten sich wieder mit der Hauptmasse.

Im EntryPlug ignorierte Shinji die fast unverständlichen Anweisungen des Hauptquartiers, endlich den Engel samt Wirtskörper zu vernichten.

Ein Schatten fiel über ihn - es war EVA-02!
Endlich... Rei-chan war damit beschäftigt, EVA-03 festzuhalten, Asuka konnte ihm helfen, den Engel zu neutralisieren, sicher konnte sie mit einem PROG-Messer den Plug freischneiden, da-nach brauchten sie keine Rücksicht mehr auf Einheit-03 zu nehmen... nur der Plug mit dem Pi-loten mußte gesichert werden...

EVA-02 hatte ein Gewehr...

\"Asuka...\"

Die Funk-Verbindung zu ihrem EntryPlug war unterbrochen...
Asuka legte an, zielte auf den Kopf von EVA-03...

\"Nicht...\"

Shinji ließ die EVA-03 los, schoß nach oben, wollte EVA-02 das Gewehr entreißen...

Asuka feuerte...

Der Schädel des EVAs platzte auseinander.
Stücke der Panzerung, elektronische Bauteile der Computersysteme, klare LCL-Flüssigkeit und die graue Masse des künstlichen Gehirns des EVAs bespritzten die Umgebung...

Der Körper des Engel verfärbte sich, das spinnwebenartige Gewebe verschmorte...

EVA-03 lag still...


*** NGE ***


\"Gegner eliminiert.\" sagte Asuka leise.
Verräter exekutiert...

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