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Ich sah tatenlos zu, wie Rei aus dem Zimmer rannte. Shinji folgte ihr einen Moment später. Ich versuchte aufzustehen und wollte meinen beiden Freunden hinterher laufen, doch eine Hand hielt mich an der Schulter fest. Ich blickte hoch und sah Misato. Sie schüttelte ihren Kopf.
\"Nein, Asuka. Lass Shinji sich darum kümmern.\"
\"Aber... ich war doch diejenige, die sie zum weinen gebracht hat. Und dann sollte ich auch diejenige sein, die das wieder hinbiegt...\" Wieder schüttelte mein Vormund den Kopf...
\"Nein, Asuka. Lass es jetzt gut sein...\"
Ach verflucht ! Ich seufzte verärgert und setzte mich wieder hin. Ich nahm meine Esstäbchen und zwang mich dazu etwas zu essen, obwohl mir eigentlich garnicht danach zu Mute war. Ich wusste, wenn ich es nicht tat, würde Misato mir die Hölle heiss machen. Und so behielt ich schliesslich meine Kommentare für mich und ass weiter. Hin und wieder ging mein Blick zur Türe und von da zu Misato, die sich alle Mühe gab, mich nicht zu beachten. Ich glaube sie plagten Schuldgefühle, weil sie mich davon abgehalten hatte, hinter meinen Freunden herzulaufen. Wie auch immer, es konnte nicht halb so schlimm sein, wie die Schuldgefühle, die ich hatte, weil ich Rei zum weinen gebracht hatte...
Es dauerte beinahe eine Ewigkeit bis Shinji endlich zurück kam.- Allein. Ich bemerkte sofort, dass sein Hemd vorn ganz zerknittert war und die linke Schulter war nass. Er sagte kein Wort und lächelte mich nur sanft an, bevor er sich dann hinsetzte und seine Esstäbchen in die Hand nahm.
\"Geht es ihr... gut?\" Ich schätze, dass die Besorgnis in meiner Stimme Shinji einigermassen überrascht hat, denn er wäre fast an seinen Nudeln erstickt. Es dauerte einen Moment, doch dann schaute er zu mir hoch und ich sah die Verwunderung in seinen Augen. Das regte mich auf...
\"HEY!! Sie ist auch mein Freundin, Baka! Also, ist sie nun okay oder nicht?\"
\"Sie... sie hat sich in den Schlaf geweint. Es sah aus, als wollte sie mir etwas Wichtiges sagen.. aber sie brachte kein Wort heraus.\" Ich biss mir auf die Unterlippe. Das klang sehr ernst. Ich hatte keine Ahnung was ich sagen sollte und so schob ich statt dessen ein paar Nudeln in meinen Mund. Als ich auf ihnen herumkaute dachte ich an Rei. Was hatte ich gesagt, das sie so aufgeregt hatte?
Wenig damenhaft schluckte ich das ganze Essen in meinem Mund in einem einzigen Rutsch hinunter und ich schwor mir, dass ich nach Rei sehen würde, sobald ich nach Hause käme.
Es vergingen etwa dreissig Minuten bis ich Shinji und Misato schliesslich \"Gute Nacht\" sagte. Ich wäre ja schon früher gegangen, doch ich wusste, bevor ich nicht mein ganzes Essen verputzt hätte, würde mir Misato nicht erlauben auch nur einen einzigen Schritt vor die Türe zu setzten. Es ist schon komisch wie Essen, das man normalerweise geniessen würde, in bestimmten Situationen einfach wie ein Pappdeckel schmeckt....
\"Gut\'Nacht, Asuka. Wenn du was brauchst ruf\' einfach an..\" Ich nickte dankbar, obwohl wir alle wussten, dass ich sehr gut alleine mit Rei fertig werden könnte. Mit einem gequälten Lächeln auf dem Gesicht trat ich in Reis Appartement, schloss die Türe hinter mir und verriegelte sie.
Als Erstes ging ich zu Reis Zimmer. Sie schlief noch, aber sie musste sich wohl im Traum bewegt haben, denn die Decke mit der Shinji sie zugedeckt hatte lag nun auf dem Boden. Mit einem leichten Seufzer hob ich die Decke auf und legte sie wieder über ihren schlummernden Körper. Ihre Reaktion darauf war ein leises Stöhnen als sie sich herumdrehte. Schweissperlen liefen an den Seiten ihres Gesichtes herunter und ihr Haar klebte nass auf ihrer Stirn. Da war ein Ausdruck von Qual und Pein auf ihrem Gesicht. Besorgt runzelte ich die Stirn und fragte mich, ob ich sie wecken sollte.
Jedoch nahm sie mir diese Entscheidung ab, indem sie plötzlich kerzengerade im Bett sass. Sie hatte ihre Augen weit aufgerissen und ihren Mund offen,- bereit für einen Schrei, der jedoch nie kam.
\"Rei...\" brachte ich gerade noch über die Lippen, dann plötzlich brach Rei zusammen. Sie rollte sich zu einem Ball zusammen, die Knie fest an die Brust gezogen während ihr Schluchzen ihren Körper schüttelte.
\"Rei!\" Bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte, hatte ich sie schon in meine Arme genommen. Ihren Kopf gegen meine Schulter gelehnt begann ich sie sanft hin und her zu schaukeln. Einen Augenblick später spürte ich, wie sie sich an mein Hemd klammerte und in meiner Umarmung Schutz suchte. Sie auf diese Weise festzuhalten war ein unglaublich seltsames Gefühl. Es war ungewohnt jemand anderen als Shinji so zu berühren. Doch im gleichen Moment hatte ich das Gefühl... ich musste,- nein, ich wollte- es tun. Für sie. - Meine Freundin. Ja, Ayanami Rei war meine Freundin, egal ob ich bereit war es zuzugeben oder nicht.
Rei muss wohl mehrere Stunden lang geweint haben, weil ich vom krummen Sitzen mittlerweile schon einen ganz steifen Rücken hatte. Wie auch immer, zu guter Letzt hat sie sich dann doch beruhigt. Sie lag in meinen Armen und ihre rubinroten Augen waren verweint und geschwollen.
Es war still im Zimmer, bis auf ihr gelegentliches Schniefen und mein Seufzen.
Als sie dann sprach, war es nicht mehr als ein Flüstern...
\"Danke... Asuka-chan.\" Ich lächelte und fuhr mit meiner Hand über ihren Rücken.
\"Jederzeit... Rei-chan.\" Ohne grossartig darüber nachzudenken habe ich sie ins Bett gelegt und legte mich neben sie. Obwohl wir noch nie zuvor in ein und dem selben Bett geschlafen hatten, schien es mir das Beste, sie in diesem Moment nicht allein zu lassen. Und ausserdem war ich mir sicher, dass sie froh wäre, Gesellschaft zu haben. Als ich begann einzuschlafen, hörte ich sie zufrieden seufzten. Verschlafen öffnete ich ein Auge. Ich sah ein Lächeln über ihr Gesicht huschen und ich konnte nicht anders, als mit eben solch einem Lächeln zu antworten, obwohl ich wusste, dass sie es natürlich nicht sehen konnte. Und dann folgte ich ihr in die Dunkelheit des Schlafes. |
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